Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
»Das … das darfst du nicht sagen. Es gibt keine Flussgötter!« Dabei bekreuzigte sie sich.
»Und dein blindes Vertrauen in deinen Vater und Ottfried?«, spöttelte Cat. »Ist es kein Aberglaube, wenn du meinst, die wüssten, was Gottes Wille ist?«
»Wir sollen auf die Kirchenoberen hören«, murmelte Ida. »Und auf unsere Väter. Und unsere Ehegatten. Das ist gottgewollt.«
»Das ist Unsinn!«, sagte Cat spontan. »Schau mal, Ida, in eurem Raben Steinfeld, da mag das ja noch einen gewissen Sinn gehabt haben. Da kannte dein Vater sich aus, es gab … tikanga … Bräuche, die … Also, die Maori sagen, das Wissen über die Vergangenheit sichere die Zukunft. Aber hier ist alles anders, das hast du selbst gesagt. Und niemand, allenfalls ein tohunga für Wasserläufe, falls es so etwas gibt, oder ein Geologe wie dieser Mr. Tuckett kann sagen, wann es die nächste Überschwemmung gibt. Sicher ist nur, dass es sie geben wird. Egal, wie viel ihr betet, und gleichgültig, was dein Vater sagt.«
»Willst du damit sagen, Gott hört nicht auf uns?«
Idas Stimme klang empört, es schwang jedoch noch etwas anderes darin mit. Zweifel? Angst?
Cat wusste, dass sie jetzt diplomatisch sein sollte. Aber dann dachte sie an ihre vielen sinnlosen Gebete für Frau Hempelmann, ihre eigenen verzweifelten Bitten an Gott, sie vor Barker zu bewahren, an die lüsternen Blicke des Missionars Morton und den äußerst wirksamen Hustensirup, den sie selbst aus der Rongoa-Pflanze hergestellt hatte, obwohl sie darauf verzichtet hatte, vor dem Pflücken die Geister anzurufen.
»Hat er je auf dich gehört?«, fragte sie schließlich zurück. »Hast du irgendwann auch nur den Anflug einer Antwort bekommen, wenn du eine Frage gestellt hast? Hat sich auch nur einer deiner Wünsche erfüllt?«
Ida schwieg, während sie die Stalltür hinter den Pferden schloss. Geschäftig begann sie, das getrocknete Tussockgras, das sie hier als Strohersatz für die Tiere hortete, auf die Ständer der Kuh und der Pferde zu verteilen. Dabei wirkte sie fahrig und unsicher, Cats höhnische Äußerungen schienen sie bis ins Mark getroffen zu haben. Cat tat es inzwischen leid, überhaupt mit den Göttern angefangen zu haben. Dabei hatte sie die Erwähnung der Flussgeister eher scherzhaft gemeint, sie hätte jedoch wissen müssen, dass die Leute von Sankt Paulidorf, was das Heidentum betraf, keinen Spaß kannten. Cat überlegte, wie sie sich entschuldigen konnte, während sie Wassereimer füllte und Hafer in die Krippen der Pferde gab. Bald würde es nichts mehr zu tun geben. Wenn dann immer noch eine so angespannte Atmosphäre herrschte …
Plötzlich brach Ida das Schweigen. »Ich habe noch nie gelogen«, sagte sie mit leiser Stimme. »Also bis … bis vorhin in der Versammlung.«
Nach dem Disput über Götter und Geister kam das für Cat überraschend. Sie wusste nicht, was von ihr erwartet wurde. Aber Idas kläglicher Gesichtsausdruck erweckte ihr Mitgefühl.
»Dafür hast du es ganz gut gemacht«, bemerkte sie mit einem kleinen Lächeln. »Du hättest es jedoch nicht tun müssen. Ich bin dir und Ottfried sehr dankbar, dass ihr mich aus Nelson herausgebracht habt. Von hier aus hätte ich mich schon irgendwie durchgeschlagen.«
»Und wärst damit vielleicht besser gefahren«, flüsterte Ida. »Der Fluss … und Ottfried …«
Es gab keinen Grund, die Stimme zu senken, aber Ida schien die Last der Worte zu erdrücken.
Cat zuckte die Schultern. »Vielleicht«, meinte sie. »Mach dir keine Sorgen um mich. Ich kann schwimmen.« Sie lächelte aufmunternd. »Und sonst … ich komme schon zurecht.« Sie griff unwillkürlich nach ihrem Jagdmesser.
Ida hatte ihre Arbeit beendet und setzte sich erschöpft auf den Balken, der den Verschlag der Kuh von dem der Pferde trennte. »Ich hab es gar nicht für dich getan«, bekannte sie dann.
Cat blickte abwartend auf die junge Frau, registrierte ihre hängenden Schultern, das blasse Gesicht und die Strähnen dunklen Haares, die sich aus ihrer braven Haube gelöst hatten. Selbst die Locken wirkten glanzlos. Idas ganzer Körper drückte Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit aus.
»Ich wollte, dass du bleibst«, sprach Ida schließlich weiter.
Cat lächelte wieder. »Das war nicht zu übersehen«, bemerkte sie. »Aber warum? Du machst dir doch nicht wirklich Sorgen um meine … Wie nennt ihr das? Errettung? Ich weiß nicht mal, was das ist.«
»Ich werde es wahrscheinlich auch nie erfahren«, seufzte Ida. »Es
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