Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
selbst sagen. Er wird erbost sein, wenn er es von anderen hört.«
»Das ist mir egal!«, erklärte Ida. »Ich gehe ihn jetzt bestimmt nicht suchen und verkünde ihm die › frohe Botschaft ‹ . O Gott, Cat, ich weiß, ich versündige mich. Aber ich will kein Kind! Ich will nicht hierbleiben, ich …« Sie begann zu weinen.
Cat schob sie auf einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. Sie hätte sie gern getröstet, doch Idas Schwierigkeiten waren nichts gegen die, in denen sie selbst steckte. Für sanftes Zureden war jetzt nicht die Zeit.
»Hör auf zu jammern, Ida, wir müssen reden!«, sagte sie entschlossen. »Du willst kein Kind und ich erst recht nicht, aber das lässt sich nun mal nicht mehr ändern. Es gibt zwar Möglichkeiten ein … ein Kind in der Mutter zu töten …«
Ida sah erschrocken auf, ihre Pupillen weiteten sich in maßlosem Entsetzen. Cat hatte sich das so oder ähnlich gedacht. Ein Dorfmädchen aus Raben Steinfeld hatte ganz sicher nie etwas von Abtreibung gehört. Idas Lamentieren war unüberlegt und kindisch. Nun jedoch musste sie erwachsen werden, und wie es aussah, ohne Cat.
»So was würdest du machen?«, fragte Ida jetzt mit schneeweißem Gesicht.
Cat schüttelte den Kopf. »Nein. Oder ja, ich würde es vielleicht machen, aber ich weiß nicht, wie es geht. Te Ronga hat mir beigebracht, wie man Kinder zur Welt bringt, nicht, wie man eine Schwangerschaft abbricht oder verhindert. Bei den Maori sind Kinder willkommen, auch außerhalb der Ehe. Ich weiß das auch nur von …« Sie dachte an die Huren in der Piraki Bay. Priscilla hatte Methoden gekannt, Cat erinnerte sich noch gut daran, dass sowohl Noni als auch Suzanne einmal fast daran gestorben wären. »Ach, ist ja egal«, brach sie dann ab. »Jedenfalls werden wir diese Kinder nicht los. Für dich ist das allerdings nicht so schlimm. Du hörst doch, alle hier im Dorf freuen sich auf dein Baby.«
»Und bei der nächsten Flut wird es womöglich ertrinken!«, warf Ida ein.
Cat zuckte die Schultern. »Die Sache mit den Überschwemmungen wird sich schon irgendwie lösen. Ewig kann das nicht so weitergehen. Ihr werdet weggehen oder Deiche bauen. Aber du … es tut mir leid, aber du wirst bei Ottfried bleiben müssen.«
Ida schluchzte auf. Sie hatte sich bisher noch nicht vorstellen können, mit Cat wegzugehen, doch jetzt jagte ihr der Gedanke, bis ans Ende ihrer Tage an Ottfried gefesselt zu sein, größere Schauer als je zuvor über den Rücken.
»Und du?«, flüsterte sie.
Cat biss sich auf die Lippen. »Ich werde gehen.«
Sie wappnete sich gegen Idas Tränen und ihre Bitten, sie nicht zu verlassen, aber die junge Frau überraschte sie. Ida rieb sich zwar die Augen, blieb jedoch gefasst. Nun war sie ja auch nicht dumm. Während der Bibelstunde und auf dem Heimweg mussten ihr die gleichen Gedanken durch den Kopf gegangen sein wie Cat: Es stand völlig außer Frage, dass in Sankt Paulidorf ein uneheliches Kind aufwuchs. Erst recht nicht gemeinsam mit seinem Halbgeschwisterchen im Haushalt des Vaters. Wenn Cat nicht von selbst ging, dann würde man sie hinauswerfen – ohne jede Gnade und ohne Rücksicht auf das Kind. Eine Vergewaltigung würde ihr niemand glauben. Eher bedauerte man den »armen Ottfried« als »verführt«.
»Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gern noch einen Monat bleiben, bis es etwas wärmer wird«, führte Cat ihre Pläne aus. »Dann fahren ja auch wieder häufiger Boote.« Im Winter war der Moutere oft zu reißend, und in Regen und Kälte mochte auch niemand tiefer hinein in das noch relativ unberührte Land. Im Sommer dagegen kamen Missionare und Landvermesser, auch fliegende Händler würden sich einfinden – ganz sicher kam Cat irgendwie über den Fluss nach Nelson. Von da aus würde sie sich zu den Ngai Tahu aufmachen, wie ursprünglich geplant. Die Schwangerschaft würde bei der Wanderung hinderlich sein – aber wenn ein Stamm sie aufnahm, war das Kind kein Problem. Cat schalt sich im Stillen, sich überhaupt auf das Abenteuer Sankt Paulidorf eingelassen zu haben. Zumindest die Vergewaltigung und das ungewollte Kind wären ihr erspart geblieben, hätte sie sich direkt an die Maori gewandt.
»Du kannst bleiben, so lange du willst«, sagte Ida leise. »Die Frage ist nur: Das mit deinem Kind … Sagen wir es Ottfried?«
KAPITEL 6
Ida und Cat sollten an diesem Abend keine Zeit finden, eine Entscheidung zu fällen. Die Frauen fuhren auseinander, als Chasseur Ottfrieds Schritt vor der Haustür
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