Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
gerade schon wieder gesprochen werden? Du hast wahrscheinlich Recht, das Missionshaus war bis jetzt noch nie überschwemmt, das heißt allerdings kaum, dass es heute nicht passiert. Das ist die Schneeschmelze in den Bergen, Ida. Weißt du nicht mehr, wie wir uns gestern noch über das schöne Frühlingswetter gefreut haben? Und dazu dieser Regen … Vielleicht war es bisher einfach noch nie so schlimm.«
»Oder sie haben die Station immer wieder aufgebaut!«, mischte Elsbeth sich ein. Das Mädchen hatte gute Ohren. »Wir wissen doch, wie das läuft … Und was soll jetzt hier drin sein?« Sie schaute sich in der Hütte um, in der es gänzlich anders aussah als sechs Wochen zuvor.
Die Männer hatten dieses abgelegenste aller Holzhäuschen tatsächlich als Rückzugsmöglichkeit benutzt. Den Missionaren hatten sie sicherlich erklärt, dass sie Tische und Stühle hineingeschleppt und es nicht wie die anderen abgebaut hatten, weil sie bei schlechtem Wetter dort Rast machten und Besprechungen abhielten. Die Einrichtung der kleinen Hütte glich jedenfalls, wie Cat feststellte, der Kneipe in Barker’s Pub in der Piraki Bay: Grob zusammengehämmerte Stühle standen um wacklige Tische, auf denen Whiskey- und Biergläser klebrige Ränder hinterlassen hatten.
»Da seht ihr’s, hier hat der › Stammtisch ‹ getagt«, bemerkte Cat. »War doch klar, dass die nicht im Regen saufen! Also gucken wir uns hier mal um, vielleicht haben sie nichtalkoholische Vorräte angelegt. Lebensmittel zum Beispiel oder Decken.«
»O ja, Hunger hätte ich jetzt auch!«, meinte Elsbeth und begann sofort, Idas alte Küchenschränke zu durchsuchen. »Aber erst mal sollten wir ein Feuer machen.«
»Erst mal sollten wir zusammenpacken, was sich hier noch an Brauchbarem findet«, befahl Cat, während Ida sich erschöpft auf einen der Stühle sinken ließ. »Bevor jemand anderes es tut oder Ottfried eurem Vater alles Übriggebliebene aushändigt, damit der es an die › Bedürftigsten ‹ verteilt. Überlegt doch mal, es ist nichts mehr da! Die letzten Häuser von Sankt Paulidorf werden gerade weggespült, es bleibt allenfalls noch das, was die Missionare gehortet haben. Und vor uns liegt der Marsch nach Nelson. Mit all den Kindern und Frauen und … Lass mich raten, der Wagen für die Pferde steht wieder mal in Langes Scheune! Es werden also alle laufen müssen. Durch den Regen, ohne Nahrung und Zelte.«
»Hier ist Whiskey!«, erklärte Elsbeth vergnügt. Jetzt, da sie im Trockenen war, schien ihr das Abenteuer beinahe Spaß zu machen.
»Gut!«
Cat nahm ihr den Alkohol ab und ignorierte Idas entsetzten Blick, als sie die Flasche entkorkte und an die Lippen setzte. Sie nahm einen langen Schluck und reichte sie dann an Ida weiter.
»Hier, trink! Das weckt die Lebensgeister. Wenn man es nicht übertreibt …«
»Ich hab noch nie Whiskey getrunken!«, erklärte Elsbeth begierig und griff nach der Flasche, nachdem Ida halbherzig daran genippt hatte. Sie nahm gleich einen großen Schluck, um ihn dann sofort auszuhusten und zu spucken. »Schmeckt ja scheußlich!«, keuchte sie dann. »Und so was mögen die Männer?«
»Offenbar gewöhnt man sich daran«, bemerkte Cat. »Und jetzt trink noch ein bisschen, Ida, es wärmt von innen, du bist immer noch ganz weiß um die Nase. Sieh es als Medizin – Te Ronga pflegte Kräuter darin einzulegen, wenn sie mal einer Flasche habhaft werden konnte. Gewöhnlich tranken wir sie gleich aus. Nun guck nicht so, Ida! Habt ihr in Raben Steinfeld keinen Schnaps gebrannt? Unser Stamm hatte höchst selten mal zwei oder drei Flaschen Whiskey. Wenn wir die kreisen ließen, wurden alle fröhlicher, aber mehr auch nicht.«
»Ich würde gern mal Wein trinken«, träumte Elsbeth. »Oder Cham-pag-ner.«
Die beiden Frauen konnten nicht anders, sie mussten trotz der Misere lachen. »Du hättest im Haus des Junkers geboren werden sollen«, neckte Ida. »Du passt gar nicht nach Raben Steinfeld.«
Elsbeth schob die Unterlippe vor. »Da bin ich ja auch nicht mehr!«, sagte sie zufrieden. »Und Sankt Paulidorf geht gerade unter. Du sagst selbst, Cat, wir gehen morgen nach Nelson! Und dann wird alles anders!«
KAPITEL 7
In Ottfrieds alter Hütte fanden sich noch zwei weitere Flaschen Whiskey, jedoch keine Lebensmittel. Dafür förderte Cat etliche Werkzeuge zutage, die beim Abbau der Häuser verwandt worden waren, und zwei gewachste Planen.
»Die sind gut, daraus können wir uns Zelte bauen!«, freute sie sich.
»Ohne
Weitere Kostenlose Bücher