Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Stangen?«, fragte Elsbeth mit gerunzelter Stirn. Sie hatte bei den Partridges im Laden Zelte verkauft.
»Wir nehmen die Axt mit und schlagen unterwegs Äste ab«, erklärte ihr Cat. »Das ist jedenfalls besser als gar kein Regenschutz. Und jetzt feuern wir wirklich mal diesen Ofen an. Irgendwann müssen die Siedler doch auch mit dem Beten fertig sein, dann kommen sie vielleicht drauf, sich hier unterzustellen. Zumindest die Kinder sollten ins Trockene …«
Die letzte Nacht der deutschen Siedler in Sankt Paulidorf gestaltete sich wie ein einziger Albtraum. Zwar stieg der Fluss wirklich nur bis auf ein paar Längen unterhalb der Missionsstation, aber natürlich boten das Haus der Missionare und Ottfrieds alte Hütte nicht genügend Wetterschutz für über siebzig durchnässte, verzweifelte Menschen. Ein paar völlig verängstigte und gänzlich demoralisierte Familien machten sich denn auch noch in der gleichen Nacht auf den Weg nach Nelson. Die anderen drängten sich in den Häusern.
Ida und Cat strebten sehr schnell hinaus. Die Luft in der Hütte war binnen kürzester Zeit zum Schneiden. Der Wasserdampf, der aus den trocknenden Kleidern aufstieg, vermischte sich mit den Ausdünstungen der Menschen, dem Geruch nach Kaffee und Tee, den die Missionare aufbrühten, und schließlich dem Eintopf, den ein paar couragierte Frauen aus Wohlers und Riemenschneiders spärlichen Vorräten zusammenkochten. Es reichte nicht für alle, aber Cat und Ida lehnten sowieso ab, ihnen beiden war übel. Schließlich bauten sie ihr improvisiertes Zelt schon in dieser Nacht auf und verbrachten sie Wärme suchend aneinandergeschmiegt unter den Planen. Auch Chasseur hielt sie ein wenig warm. Das Tier hatte sich in der Hütte direkt an die Feuerstelle gesetzt und war gänzlich getrocknet, bevor die Siedler hereingekommen waren. Nun kuschelten sich Ida und Cat in sein weiches Fell. Trotzdem war die Nacht höllisch. Der Fluss stieg zwar nicht mehr, doch der Regen hielt noch die halbe Nacht an, und die Planen schützten die Frauen nur ungenügend. Dazu trat auch keine Stille ein. Die Siedler fanden keinen Schlaf – einige diskutierten immer noch darüber, ob sie Sankt Paulidorf wirklich aufgeben müssten, und andere weinten und beteten.
Cat fühlte sich wie gerädert, als sie am nächsten Morgen aus dem Zelt kroch – und sich erst einmal übergab. Zu allem Überfluss stellte sie fest, dass sie sich nicht allein hinter den Rata-Büschen befand, hinter die sie getorkelt war, um sich zu erleichtern.
Elfriede Busche hatte den improvisierten Abtritt dort wohl auch benutzt. Sie sagte nichts, aber ihre neugierigen Blicke sprachen Bände. Wenn sie sich jetzt an Idas Bemerkung vom Vortag erinnerte und eins und eins zusammenzählte …
»Ich hab wohl was Schlechtes gegessen«, entschuldigte sich Cat, doch sie sah sehr genau, dass Elfriede ihr nicht glaubte.
Aber was immer Elfriede auch ahnte, jeder Skandal und jeder Dorfklatsch waren vergessen beim ersten Blick auf Sankt Paulidorf am Tag nach der Katastrophe. Selbst Elsbeth, die das Land am Moutere vom ersten Augenblick an gehasst hatte, verstummte vor dem Bild der Zerstörung, das sich von der Missionsstation aus bot. Das Wasser war erst zur Hälfte aus dem Tal abgezogen, der Zustand der Häuser und Felder, die es jetzt schon wieder freigegeben hatte, ließ jedoch auf den der restlichen Siedlung schließen. Vom Haus der Langes standen noch ein paar Trümmer, das der Brandmanns war völlig weggeschwemmt, auf dem Feld dazwischen lagen die Kadaver der beiden ertrunkenen Kühe. Die Fragmente der Kirche waren als solche nicht mehr zu erkennen, der Turm steckte allerdings noch halb im Schlamm. Unter dem Schlamm waren auch weitere Häuserruinen erkennbar, aber sicher nicht mehr zu retten. Die Überschwemmung hatte gewaltige Mengen Erdreich ins Tal getragen. Fruchtbare Erde, dieses Mal erwähnte das allerdings nicht mal Bauer Friesmann. Weiter oben hatte das abfließende Wasser auch Erdreich abgetragen. Der Weg von der Missionsstation ins Dorf war völlig ausgewaschen, er wirkte wie eine Schlucht. Kein Gedanke daran, ihn noch einmal mit einem Pferdefuhrwerk zu befahren, selbst zu Fuß wäre es mehr eine Kletterpartie als ein Spaziergang.
»Das ist das Ende«, flüsterte Jakob Lange und bekreuzigte sich. »Wir müssen zurück nach Nelson.«
»Ja. Und diesem Wakefield einheizen!«, wütete Peter Brandmann. »Und diesem Beit. Die wussten das doch mit der Überschwemmungsgefahr. Denen war ganz klar, was
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