Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
der als Nachfolger von Wakefield nach Nelson beordert worden war, für andere Auftraggeber. Oft arbeitete er für die Regierung, aber auch für Privatleute oder gar Maori-Stämme, die Land verkaufen und dies korrekt handhaben wollten. Karl lernte die Nordinsel Neuseelands dabei gründlich kennen. Er erforschte ihre Wälder und staunte über die gewaltigen Kauribäume, vermaß Ländereien für Schafzüchter in den Waikato Plains und staunte erschauernd über die gewaltigen feuerspeienden Berge, denen die Maori seltsame Namen wie Ngauruhoe oder Ruapehu und Taranaki gegeben hatten. Es gab dazu auch immer Geschichten. Für die Einheimischen waren die Berge und Bäume von Göttern und Geistern bewohnt, Karl wünschte sich oft, ihre Sprache besser zu verstehen, um all die Märchen der Maori aus erster Hand hören zu können. Er schwamm im klaren Wasser des Tauposees und ließ sich von den örtlichen Maori in die Kunst des Forellenfischens einweisen, und er wanderte über die ausgedehnten, sonnenverwöhnten Strände im Osten der Insel. Der Anblick des Meeres machte ihn allerdings stets ein wenig traurig, erinnerte er ihn doch unweigerlich an Ida und ihre Begeisterung für Bahia.
Wie anders wäre alles gekommen, hätte sie damals über ihren Schatten springen und mit ihm fortlaufen können! Oder auch später, nach der verhängnisvollen Entscheidung der Siedler für das Dorf am Moutere. Im äußersten Norden Neuseelands wurde es zumindest im Sommer fast tropisch warm, und in Waipoua bildeten Palmen und Farne einen der Karibik fast vergleichbaren Urwald. Karl träumte heute noch davon, hier irgendwo ein Heim für Ida zu finden, das ihren Träumen von Wärme, Leichtigkeit und leuchtend blauem Meer viel mehr entsprach als die regenreiche Südinsel.
Aber Ida war fort, für immer verloren, und Karl musste sich damit abfinden.
Australien – das war ein ganzer Kontinent, riesig und unübersichtlich. Selbst wenn er in Neuseeland alles aufgab und dorthin ging, um sie zu suchen – in diesem gewaltigen Land würde er die Spur der Langes oder Brandmanns niemals wiederfinden. Karl konnte nur hoffen, dass Ottfried Ida nicht allzu unglücklich machte und dass die Raben Steinfelder wenigstens beim zweiten Versuch ihr Gelobtes Land fanden. Vielleicht sogar in einem Klima, das Ida besser behagte. Wenn ihr Leben schon aus demütiger Selbstaufgabe an der Seite eines Mannes bestehen musste, den sie nicht liebte, so wünschte Karl ihr doch immerhin ein Haus, das Aussicht auf ein Meer und einen weißen Strand bot. Möglichst ohne Krokodile!
Karl hatte einiges über Australien gehört und noch mehr gelesen, seit Tuckett ihm von der Abreise der Raben Steinfelder berichtet hatte. Er wusste, dass nicht alle gegangen waren, doch er hatte herausbekommen, dass Peter Brandmann und Jakob Lange die Ersten gewesen waren, die es noch einmal mit einer Gemeindegründung versuchen wollten. Und natürlich mussten Ottfried und Ida sich ihnen angeschlossen haben. Genauere Angaben über den Verbleib der Familien hatte Tuckett allerdings nicht gehabt. Es sei die Rede von der Gegend um Adelaide gewesen, hatte er geschrieben, von dort aus mochten die Siedler natürlich weitergezogen sein.
Karl seufzte und schloss sein Postfach auf. Wie immer in der unsinnigen Hoffnung, Idas ein bisschen kindliche Schrift auf einem der Umschläge zu sehen. Es konnte nicht sein, sie besaß seine Adresse nicht – aber wenn sie es mit »Karl Jensch, Wellington« versucht hätte … Karl sprach den Posthalter immer wieder darauf an, dass ein solcher Brief für ihn kommen könnte. Der Mann würde ihn sicher nicht wegwerfen oder zurückschicken. Allerdings war auch dieses Mal kein verheißungsvolles Schreiben unter den wenigen Briefen, die Karl entgegennahm. Ein Brief von Tuckett, einer von Christopher Fenroy, der sich alle paar Wochen meldete, und ein oder zwei Schreiben, die seine Arbeit betrafen. Letztere konnten warten – Karl war nicht erpicht auf neue Aufträge.
Vielleicht war es ja nur die erneute Enttäuschung und seine anhaltende Trauer um Idas Verlust, aber in den letzten Monaten verlor der junge Mann das Interesse an seiner Arbeit. Sosehr es ihm anfänglich gefallen hatte, sosehr wurde er es langsam leid, ständig unterwegs zu sein. Er wäre gern sesshaft geworden, er liebte das Land. Eine Zeit lang war es schön gewesen, es nur für andere zu erschließen, jetzt hätte er auch gern einmal eigenen Grund und Boden, und er konnte es sich sogar leisten! Karl hatte in den
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