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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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wissen … er sollte einfach wissen, wohin Ida ging.

KAPITEL 2
    Das Gespräch mit Ida hatte Karl aufgewühlt.
    Es war also doch so, wie er es gedacht hatte. Auch wenn sie nichts von sich verriet, wenn sie sich ihre Gefühle, Wünsche und Träume nicht einmal selbst eingestand – im Grunde war sie ebenso unzufrieden mit ihrem Los wie Karl. Sie sehnte sich nach mehr als Hausarbeit und Mutterschaft in diesem sandigen Kaff am Ende der Welt, sie hätte lieber Bücher gelesen und Aufsätze geschrieben als sich schon als Dreizehnjährige um ein Baby zu kümmern, das ihr dann auch noch unter den Händen starb. Ida war gehorsam, aber sie wollte nicht wirklich eine Ehe mit einem Mann, den ihr Vater ausgesucht hatte. Wobei ihre Zukunft natürlich auch nicht wesentlich anders ausgesehen hätte, wenn Jakob Lange ihr erlaubt hätte, länger zur Schule zu gehen. Die Töchter des Junkers hatten beide das Lyzeum besucht. Anschließend hatte man allerdings auch sie verheiratet.
    Karl wusste nicht, was er sich für Ida wünschte, es kam ja auch nicht infrage, dass er selbst um sie freite. Wahrscheinlich hatte sie ganz einfach Recht damit, sich in Demut zu üben. Und er selbst sollte das vielleicht auch tun, statt immer wieder zu wüten und aufzubegehren. Gott mochte sich ja wirklich etwas dabei denken, einem jeden seinen Platz zuzuweisen …
    Karl versuchte, ein Gebet zu sprechen, aber er fühlte sich nicht wirklich getröstet, als er sich schließlich in seine dünne Decke wickelte und sich bemühte, in der kaum beheizten Kate Schlaf zu finden. Am nächsten Morgen wartete erneut die Zufahrt zu Witwe Kruses Haus – hoffentlich bezahlte sie ihn anschließend wenigstens …
    Die Witwe zahlte natürlich nicht, entlohnte Karl allerdings mit etwas Besserem als einem Pfennig: Sie brachte ihm einen Humpen warmes Bier heraus, während er arbeitete, und steckte ihm anschließend einen Laib Brot und einen Wurstzipfel zu! Zusammen mit der Suppe vom Tag zuvor würde das ein fürstliches Mittagsmahl geben. Es tröstete Karl darüber hinweg, dass er für den restlichen Tag keine Arbeit fand. Bei einer Kälte wie dieser igelten die Bauern und Häusler sich ein – wenn nicht gerade eine Scheune zusammenbrach, verrichteten sie nur die Routinearbeiten, mit denen die Familien allein fertig wurden.
    Karl stieß die Tür zu seiner Kate auf – und schaute verwundert auf das bedruckte Faltblatt, das auf dem Boden lag. New Zealand Company … Karl las die fettgedruckte Zeile am Kopf des Schreibens und war sofort wie gebannt. Er vergaß Brot und Wurst und überflog rasch den Text. Und dann, während er sein Essen hinunterschlang, las er ein zweites und drittes Mal. Es war tatsächlich so, wie Ida gesagt hatte! In einem Ort namens Nelson auf der Südinsel Neuseelands war Land erschlossen worden, und man warb nun um Siedler. Auch den Namen John Nicholas Beit sah er nun gedruckt vor sich. Und dessen Adresse in Hamburg.
    Beim vierten Lesen erwachte ein Plan in ihm, der ihn über seine eigene Kühnheit erschrecken ließ. Demut … Wenn er sein Vorhaben wahr machte, wenn er es versuchte, so bewies das wohl eher das Gegenteil. Und die Sache würde ihn seinen mühsam erarbeiteten Pfennig kosten. Wenn er in den nächsten Tagen keine Beschäftigung fand, würde er hungern müssen. Aber dann dachte er wieder an Idas traurigen Blick, der ihm alles verraten hatte, über ihren Überdruss an dem vorgezeichneten Leben in Raben Steinfeld und ihre gleichzeitige Angst vor dem Aufbruch in ein neues Land. Wenn es irgend ging, würde er sie nicht alleinlassen!
    Karl brauchte nicht lange zu suchen, bis er sein altes Schulheft fand, versteckt in der hintersten Ecke seiner Kleidertruhe. Auch der Bleistift lag noch dabei, sorglich gespitzt, und das Buch über Kapitän Cook, das er seitdem Hunderte Male gelesen hatte. Er legte es neben das Heft auf den Tisch, vielleicht würde es ihm ja Glück bringen.
    Karl leckte die Mine des Bleistiftes – er hatte fünf Jahre lang kein Wort mehr geschrieben. Aber das »Sehr gut« in der gestochenen Schrift Lehrer Brakels machte ihm Mut. Er hatte es einmal gut gekonnt, und sicher verlernte man es nicht!
    Im letzten Licht dieses dunklen, verschneiten Winternachmittags schrieb Karl Jensch den ersten Brief seines Lebens.
    Das Schreiben lag wenige Tage später auf dem Schreibtisch von John Nicholas Beit, der sein Kontor allerdings nicht selbst besetzt hielt. Seine Tochter Jane öffnete lustlos die an ihn gerichtete Post – eine Aufgabe, die

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