Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Frag einfach Jane und den ariki . Bestimmt lässt sich was machen!«
Ottfried schnaubte. »Und ob sich da was machen lässt!«, brummte er. »Nur nicht so. Ich werde nicht zu Kreuze kriechen! Das hat lange genug gedauert … Ich … Warte nur bis morgen. Denen … denen wird Hören und Sehen vergehen!«
Ida schaute Ottfried und den Redwood-Brüdern besorgt nach, als sie am nächsten Morgen nach dem Frühstück das Haus verließen.
»Ist noch was, ich euch wollen zeigen!«, erklärte Ottfried, als die Männer zum Aufbruch rüsteten. »Mir was eingefallen. Mit Schafe. Müsst ihr kommen mit. Ach, und Ida …« Er wechselte ins Deutsche. »Es kann sein, dass ich die Redwoods nach Port Cooper begleiten werde. Ich hab da etwas zu erledigen. Du weißt schon, wir sprachen gestern darüber.«
Ida runzelte die Stirn, schwieg dann aber. Sie hatte keine Ahnung, was ein Ritt nach Port Cooper mit Ottfrieds Drohungen zu tun haben konnte, sie wollte ihn allerdings auch nicht reizen. Nachdem seine Friedfertigkeit in wilde Wut auf Gott und die Welt umgeschlagen war, tat ihr ohnehin noch alles weh. Sie hätte ihm früher von den Umzugsplänen der Redwoods erzählen müssen, lautete der Vorwurf. Dann hätte er es gleich anders angehen lassen. Was er damit meinte, war Ida völlig schleierhaft, doch wenn er jetzt mit den Brüdern nach Port Cooper wollte – umso besser!
Nachdem Ottfried abgeritten war, kehrte Cat zurück aus dem Dorf der Maori und lauschte interessiert, was Ida über den Besuch der Redwoods erzählte.
»Er hat ihnen alle Schafe gezeigt, nur nicht die von Te Haitara«, berichtete diese besorgt. »Glaubst du, das hat etwas zu bedeuten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit dem Diebstahl bei den Redwoods zu tun hat. So ist er nicht erzogen, er ist Christ, er ist aus Raben Steinfeld – wir waren immer anständige Menschen. Aber ich denke, er befürchtet, dass ihm der Händler in Nelson gestohlene Schafe verkauft hat, und dann müsste er sie zurückgeben und wäre wieder arm und …«
Cat verdrehte die Augen. »Grübel doch nicht so viel, Ida«, sagte sie sanft. »Und vergiss Raben Steinfeld! Wenn du mich fragst, ist dein Ottfried ein Gauner reinster Sorte, ich würde ihm einen Diebstahl zutrauen. Was allerdings Te Haitaras Schafe angeht … Wenn er es geschafft hat, dass die Redwoods die nicht gesehen haben, ist das reiner Zufall. Gewöhnlich grasen sie doch rund ums Dorf und laufen mit meinen und Karls durcheinander. Nur jetzt, wo die letzten noch ablammen, lassen wir sie im Pferch. Das müsste eigentlich nicht sein, es würde reichen, die zurückzuhalten, die noch werfen müssen, aber Makutu sieht das anders. Die Herde müsse zusammenbleiben, meint sie, es sei nicht gut für ihre Seelen, wenn man die Familie auseinanderreiße.«
»Die Seelen der Schafe?«, fragte Ida und runzelte die Stirn.
Cat lachte. »O ja, für die Ngai Tahu hat jedes Schaf eine Seele, genau wie jeder Baum und jeder Rata-Strauch. Und nun guck nicht wie ein Mädchen aus Raben Steinfeld, das überall eine Gotteslästerung wittert. Die tohunga könnten Recht haben. Bisher jedenfalls hat noch keins ihrer Schafe ein Lamm verstoßen. Das Lamm eines Muttertieres, das während der Geburt gestorben ist, hat ein anderes angenommen, und die Lieder, die Kunari singt, scheinen sie alle gern zu hören. Du hast selbst gesagt, sogar ihr Frischkäse schmeckt besser als deiner.«
Kunari war eine junge Frau aus dem Stamm, die ein bisschen zurückgeblieben schien. Sie war sanft und liebenswürdig, doch langsam im Handeln und unfähig, sich Dinge zu merken. Kunari sprach nicht viel, doch sie sang ständig vor sich hin – in unverständlichen Worten oder, wie Makutu sagte, in ihrer eigenen Sprache. Seit der Stamm allerdings Schafe hielt, war Kunari auf dem Weg zum Rang einer tohunga. Die junge Frau kümmerte sich, seit Ida ihr das Melken beigebracht hatte, um die Pflege der Milchschafe und hatte einen Instinkt für ihr Wohlergehen. Ida hatte für ihre Käserei täglich zehn Tiere gemolken, sie jetzt aber abgeben müssen, da auch sie zu Ottfrieds Herde gehörten. Ihr war das nicht leicht gefallen, aber immerhin wusste sie die Schafe bei Kunari in besten Händen. Die junge Frau molk sie morgens und abends, setzte Frischkäse an und zog zwischendurch mit den Tieren über Land, damit sie das saftigste Gras zu fressen bekamen. Dabei sang sie ihnen vor und erzählte ihnen lange Geschichten. Einen Hütehund brauchte sie nicht. Die Schafe folgten ihr aufs
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