Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
den Kopf. »Bei uns haben noch nicht alle Mutterschafe abgelammt. Und bei den Maori auch nicht. Ich habe versprochen zu helfen.« Sie lachte. »Oder könnt ihr euch Jane im Schafstall vorstellen? Man kann ihr nicht vorwerfen, dass sie sich nicht bemüht. Sie hat fantastische Bücher über Geburtshilfe bei Schafen. Sobald ich mich im Dorf blicken lasse, muss ich für die Maori-Frauen übersetzen. Die gucken mich dann verständnislos an und fragen, ob das karakia seien und ob sie den gesamten englischen Text auswendig lernen müssten. Die Theorie hinter der Geburtshilfe begreifen sie einfach nicht. Aber Jane selbst mit der Hand im Hintern eines Schafs? Undenkbar. Ich kann hier auf keinen Fall weg. Und wie gesagt – ich sehe kein Problem darin, wenn ihr gemeinsam reitet. Vor allem, da ihr nächsten Monat doch sowieso wegmüsst. Oder soll dann auch einer allein die Schafe ins Hochland treiben?«
Im November planten die Männer, die Mutterschafe von Fenroy Station und die der Maori ins Voralpenland zu bringen und dort den Sommer über in Freiheit weiden zu lassen. Ottfried war nach wie vor fest entschlossen, seine Tiere nicht mitzuschicken. Er würde also ohnehin ein bis zwei Wochen allein mit Ida auf Fenroy Station – oder auf Raben Station, wie er seine eigene Farm zu nennen gedachte – bleiben.
Chris nickte. »Sie hat Recht, Karl! Wir sollten morgen aufbrechen, umso schneller sind wir wieder da. Und du, Cat, schaust Ottfried auf die Finger und bittest auch die Maori, ein Auge auf ihn zu halten – sobald wir unterwegs sind und der Handel abgeschlossen ist. Dann kommt Jane nicht mehr auf dumme Gedanken. Die lernt sonst womöglich noch reiten …«
James und Joseph Redwood kamen nach Fenroy Station, als Chris und Karl gerade weg waren. Ida, die sie zunächst allein in Empfang nahm, da Ottfried bei seinen Schafen war, betrachtete ihren Besuch mit wechselnden Gefühlen. Ihr war klar, dass die beiden den langen Weg nicht aus purer Lust am Wiedersehen mit alten Freunden auf sich genommen hatten. Und obwohl sie Ottfried glauben wollte, dass nichts faul war mit den in Nelson erstandenen Schafen, fühlte sie sich doch unsicher. Aber dann überwog ihre Freude darüber, die Redwood-Brüder wiederzusehen – und die Erleichterung, nicht mehr mit Ottfried allein zu sein.
Die Nächte waren hart für sie, und sie konnte sich nicht mal bei Cat ausweinen. Die Freundin war bei den Ngai Tahu und half deren Schafen beim Ablammen. Wahrscheinlich hätten die Maori die meisten Probleme auch allein lösen können, aber Jane bestand darauf, dass Cat ihnen dabei auf die Finger schaute. Dabei hatten Makutu und viele der Maori-Frauen genauso viel oder gar mehr Erfahrung mit Geburtshilfe als Cat – abgesehen von der kurzen Einführung in die Schafzucht bei den Deans beruhten deren Kenntnisse ja auch weitgehend auf ihrer Arbeit als Hebamme bei Te Ronga. Nun studierte sie natürlich zusätzlich Janes Bücher, während Makutu die traditionellen karakia sang und sich einfach auf ihre geschickten Finger verließ, wenn sie den Lämmern half, das Licht der Welt zu erblicken. Sie rettete damit mindestens genauso viele schwache Tiere wie Cat, Jane fühlte sich jedoch besser, wenn eine pakeha als Aufsicht zugegen war, und Cat mochte ihr das nicht abschlagen. Sie war schließlich nur zu froh über das gute Einvernehmen, das zwischen dem Maori-Dorf und Fenroy Station herrschte.
Ida hieß die Redwood-Brüder nun herzlich willkommen – wobei sie sich gleichzeitig bemühte, nicht zu erfreut auf den Besuch zu reagieren, um Ottfried nicht eifersüchtig zu machen. Sie achtete darauf, den Blick gesenkt zu halten, obwohl sie längst gelernt hatte, dass man auch Männern offen in die Augen sehen konnte, ohne sich dadurch zu kompromittieren. Interessiert fragte sie nach Laura und ihrer Käserei.
»Laura wird ganz neidisch werden, wenn wir ihr erzählen, wie prächtig Ihre beiden Kleinen hier sich entwickelt haben!«, bemerkte James mit der herzerwärmenden Höflichkeit der Redwoods und strahlte Carol und Linda an, die auf dem Boden in der Küche saßen und mit kleinen Bällen aus Flachs spielten, die Cat ihnen geflochten hatte. Ida hatte den Männern Brot und Käse aufgetischt, und beide langten kräftig zu. »Laura geht’s gut, aber ihr Käse ist nach wie vor längst nicht so schmackhaft wie der Ihre, Miss Ida. Nun, Sie werden einander ja demnächst wieder öfter sehen. Wir sind im Begriff, Land zu kaufen von den Maori. Nur fünfzehn Meilen
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