Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Landansprüche zuständig war.
Jane wusste, dass ihr Vater dies wahrscheinlich nicht billigen würde, dennoch begann sie zu lesen. Schließlich ging es sicher auch hier um die Siedler aus Mecklenburg. Ihr würde schon eine Ausrede einfallen, falls er sie wider Erwarten ertappte.
Commissioner Spain begann sein Schreiben mit ein paar höflichen Allgemeinplätzen, kam dann aber sehr schnell zur Sache. Ganz offensichtlich war eine Beschwerde über das Vorgehen der New Zealand Company beim Erwerb des Landes erfolgt, auf dem Nelson und die umliegenden Siedlungen entstanden waren, beziehungsweise entstehen sollten. Von – Jane schnappte nach Luft – einem Maori-Häuptling. Te Rauparaha, ariki der Ngati Toa. Te Rauparaha behauptete, beim Verkauf des Landes seines Stammes an Captain Wakefield übervorteilt worden zu sein. Die Summe, die Spain in seinem Schreiben nannte, erschien auch Jane lächerlich gering für die umfangreichen Ländereien, um die es ging. Natürlich war es üblich, den Maori das Land zu einem Spottpreis abzuluchsen und es dann viel teurer an Neusiedler zu verkaufen. Aber die Profite, die sich die New Zealand Company erhoffte, seien denn doch »unverhältnismäßig«, wie Spain sich vorsichtig ausdrückte.
Pech für Arthur Wakefield, dass Te Rauparaha das nicht nur sehr schnell selbst bemerkt hatte, sondern die Gepflogenheiten seiner weißen Mitbürger auch schon gut genug kannte, um den Weißen nicht mit einem Trupp ungenügend ausgerüsteter Krieger entgegenzuziehen. Der Häuptling führte ganz zivilisiert beim Gouverneur auf der Nordinsel Klage und merkte an, dass Land an Siedler verteilt worden war, das die Vereinbarung zwischen Wakefield und dem Stamm gar nicht beinhaltete. Spain bemerkte, dass er dazu Kartenmaterial beifüge, welches die Annahme nahelege, die Maori befänden sich im Recht.
Jane durchforstete ob dieser vorsichtigen Formulierung die anhängenden Unterlagen – und erschrak erneut. Es war gar keine Frage, dass der Häuptling die Wahrheit sagte. Captain Wakefield hatte seine Verträge mit Te Rauparaha zum Teil offen ignoriert.
William Spain drohte nun in seinem Schreiben mit Aufdeckung – Jane konnte sich gut vorstellen, was das bedeutete. Wenn der Land Claims Commissioner die strikte Einhaltung der Verträge mit den Eingeborenen einforderte, würden einige Siedler ihr Land wieder verlieren. Und andere, wie diese Deutschen von der Sankt Pauli , konnten in der nächsten Zeit überhaupt nicht mit Zuteilungen rechnen. Zweifellos würden sie ihr Geld zurückfordern … Jane biss sich auf die Lippen. Was sie da in der Hand hielt, war Zündstoff – und womöglich das Ende der New Zealand Company!
Nun räumte Spain ein, dass hier sicher Maßnahmen zur Behebung des Konfliktes getroffen werden konnten. Aber … Jane durchfuhr es eisig, als sie daran dachte, was Arthur Wakefield sich da offenbar vorstellte! Vielleicht wusste ihr Vater es noch gar nicht, doch dieses Schriftstück war zweifellos der Anlass für die geplante Expedition Officer Thompsons und Captain Wakefields zu den Maori. Anstelle der Verhandlungen, die Spain bestimmt vorschwebten, setzten die beiden Haudegen auf aggressives Vorgehen. Ob der selbstbewusste Häuptling sich dadurch würde einschüchtern lassen? Nein, da musste es andere Lösungen geben!
Mit Feuereifer machte Jane sich daran, ebensolche auszuarbeiten. Sie fand die Akten der New Zealand Company im Schrank ihres Vaters und überschlug blitzschnell Einnahmen und Ausgaben. Die Summen auf der Haben-Seite waren stattlich, was die junge Frau beruhigte. Auch wenn weitere Zahlungen an die Maori nötig sein würden, konnte das ohne größere Gefahr für die Firma verkraftet werden. Zumindest, soweit sie nicht zu hoch ausfielen … Jane überlegte Strategien zur Befriedung der Maori, möglichst ohne Hinzuziehung dieses William Spain, der sich zum Glück noch auf der Nordinsel aufhielt.
Jane entwarf einen beschwichtigenden Brief an den Land Claims Commissioner, in dem sie den Wunsch der Company ausdrückte, alle eventuell bestehenden Missverständnisse umgehend auszuräumen. Sie überlegte, dass man vielleicht ihren Vater bei den Verhandlungen mit den Maori zuziehen konnte. Der sprach deren Sprache zwar nicht, aber wenn er sich anstrengte, war er erfahrungsgemäß sehr gut darin, Menschen zu überzeugen. Darin war Jane ihrem Vater ähnlich – beide waren keine geborenen Diplomaten, konnten dennoch sehr geschickt argumentieren, wenn es ihren Zielen diente. Beit hatte
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