Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
immerhin eine ganze Schiffsladung sturer Mecklenburger Häusler und Bauern dazu überredet, sich unter seiner Führung ins völlig Ungewisse zu begeben – bestimmt würde er auch Te Rauparaha überreden können, auf das den Siedlern schon zugeteilte Land zu einem günstigen Preis zu verzichten.
Die geplante Intervention Thompsons und Wakefields bei den Maori am Wairau River war dagegen sicher ein Fehler. Die Akten der Company enthielten Informationen über Te Rauparaha – und je mehr Jane über ihn las, desto sicherer wurde sie in ihrer ablehnenden Haltung Wakefields aggressivem Vorgehen gegenüber. Auf keinen Fall konnte man diesen wichtigen Würdenträger seines Volkes zu irgendetwas zwingen oder ihn gar verhaften! Im schlimmsten Fall würde das zu einem Krieg führen, der die Company dann noch teurer zu stehen käme als die notwendigen Nachzahlungen an die Maori.
Was die anging, so enthielt Janes detaillierter Plan auch schon Überlegungen dazu, wo man das nötige Geld einsparen konnte. Natürlich würden die Gewinne für die Company und damit für Wakefield und Beit sehr viel geringer ausfallen als geplant. Wahrscheinlich würden sich ihre hochherrschaftlichen Haushalte nicht weiter auf diesem Niveau finanzieren lassen, und die Investitionen in Straßenbau und öffentliche Gebäude musste man vielleicht auch einschränken. Aber das würden die Bürger verstehen – jedenfalls, wenn man es ihnen richtig verkaufte. Etwas weniger Wachstum oder Krieg – da war die Entscheidung doch einfach! Jane erlaubte sich, schon mal Vorschläge für eine entsprechende Rede zu notieren. Ihr Vater oder noch besser gleich Wakefield brauchte sie nur noch vor den Siedlern zu halten.
Ein paar emsige Stunden später, in denen Jane sich wirklich glücklich fühlte und kein einziges Pralinee den Weg in ihren Mund gefunden hatte, lagen eine mehrseitige Auflistung möglicher Maßnahmen sowie Entwürfe für Anschreiben und Ansprachen auf dem Schreibtisch ihres Vaters. Sie sah seinem Kommen stolz entgegen. Er musste diese Leistung anerkennen – und auch gleich die entsprechenden Konsequenzen einleiten: Officer Thompsons Anwerbung von »Söldnern« zwecks der bewaffneten Intervention bei den Maori musste gestoppt werden! Und John Nicholas Beit musste sofort erneut bei Wakefield vorsprechen.
Jane hielt ihrem Vater ihre Aufzeichnungen entgegen, kaum dass er den Raum betrat. Er schien recht aufgeräumter Stimmung – bei Wakefield war offenbar Whiskey serviert worden. Aber betrunken war Beit nicht. Also vielleicht sogar ein Vorteil für Janes Anliegen – Alkohol machte ihren Vater leutseliger und mitunter zugänglicher.
»Was machst du denn immer noch hier?«, fragte er sie jetzt verwundert. »Bist du noch nicht fertig mit der Abrechnung?«
Jane biss sich auf die Lippen. An die Rechnungsstellung für die Sankt Pauli hatte sie gar nicht mehr gedacht.
»Ich hab noch gar nicht angefangen«, gab sie zu. »Aber hier, Vater … ich hab das hier gefunden. Du musst das lesen …« Sie reichte ihm aufgeregt das Schreiben des Land Claims Commissioners. »Hier, das ist von Mr. Spain aus Auckland. Es fiel mir in die Hände, als …«
»Du liest meine Briefe?«
Beits Stimme klang drohend, doch bevor er Jane noch mit einem allgemeinen Donnerwetter bedenken konnte, fesselte ihn der Brief des Regierungsbeauftragten. Jane behielt Recht: Bislang hatte Beit keine Informationen über Te Rauparahas Beschwerden erhalten. Nun überflog er das Schreiben kurz und warf es dann auf den Schreibtisch.
»Unangenehm … Aber Wakefield geht das Problem ja nun an. Seltsam nur, dass er nichts gesagt hat … Was hast du denn mit der Sache zu tun, Jane? Unerhört, meine Post zu öffnen, während ich dir vertrauensvoll mein Kontor überlasse! Ich …«
Jane unterbrach Beits Ausbruch mit einer beschwichtigenden Handbewegung. »Vater, es war Zufall«, verteidigte sie sich. »Und das Schreiben lag hier auch ganz offen herum, ich habe kein Kuvert geöffnet. Aber das ist ja jetzt auch nicht wichtig. Die Frage ist doch eher, wie wir darauf reagieren. Also auf die Beschwerden des Häuptlings, den Brief von Gouverneur FitzRoy – denn für den spricht Spain ja. Wir müssen etwas tun. Nicht jedoch, indem wir Waffen sprechen lassen! Du kannst kaum glauben, diese Expedition von Wakefield würde irgendetwas zum Guten ändern!«
Beit wollte etwas einwerfen, aber Jane ließ sich jetzt nicht mehr unterbrechen. Mit Herzblut trug sie ihm ihre Pläne vor – und erwartete
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