Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
»Die Tiere sind alle nicht gefährlich – und auch nicht essbar, es sei denn, Sie sehen das biblisch und mögen Heuschrecken.« Er lachte. »Es gibt nur ein paar Vögel, die meisten können nicht mal fliegen. Dafür sind sie so dämlich, dass sie sich stundenlang unter irgendwelchen Bäumen eingraben. Tagsüber, nachts laufen sie rum. Die Maori gehen dann einfach hin und buddeln sie aus, und schon haben sie ihr Barbecue.«
Ottfried Brandmann fand die Vorstellung sich eingrabender Vögel befremdlich, und das Wort »Barbecue« sagte ihm nichts. Dass die Eingeborenen offenbar keine Schusswaffen besaßen, beruhigte ihn.
Lange fragte dagegen gleich nach. »Und die Wilden selbst? Diese Maori? Stellen die keine Bedrohung dar? Es wird doch wohl soeben eine Strafexpedition organisiert, muss man da nicht befürchten …?«
Der Händler lachte. »Ach was, die Maori sind ganz friedfertig. Mit denen kann man sich eigentlich immer einigen – Georg Hempelmann hatte in den ersten Jahren Schwierigkeiten mit Überfällen auf die Station, aber dann hat er ihnen ein Boot geschenkt, und von da an ging’s. Und hier, dieser Te Rauparaha … der ist wütend und nicht ganz ohne Grund. Letztes Jahr oder so wurde eine Frau aus seinem Stamm von einem der Siedler ermordet, Wakefield hat den Mörder davonkommen lassen. Ob mit oder ohne Absicht, ist nicht geklärt, aber der Häuptling fühlt sich nicht ernst genommen. Also macht er jetzt Ärger wegen der Landverkäufe. Und statt da mal zu verhandeln und sich vielleicht sogar förmlich zu entschuldigen, rasselt der Polizeichef mit den Säbeln. Im Grunde ist es ein Machtkampf …« Der Mann grinste. »Der zweier kleiner Männer – unser Wakefield misst gerade mal gute eins fünfzig, und der Häuptling ist auch so ein Gnom … Sie nennen ihn den Napoleon des Südens – jedenfalls machen sie sich beide gern wichtig. Das muss man nicht ernst nehmen, sofern nicht irgendetwas schiefgeht.«
»Inwiefern etwas schiefgeht?«, fragte Lange. »Und wie, meinen Sie, geht das Ganze aus?«
Der Ladenbesitzer kratzte sich am Kinn. »Na ja, wie ich das sehe, zieht Thompson da mit einem zusammengewürfelten Haufen von Kerlen, die alle noch nie einen Maori gesehen haben, in die Wairau-Ebene. Sie mögen streitlustig sein. Und die Maori-Krieger sind auch keine Engel. Wenn da die Richtigen aneinandergeraten, verlieren womöglich alle beide die Kontrolle: Wakefield und Te Rauparaha. Dann könnte es zu einem Kampf kommen und hässlich werden. Aber wenn sich alles normal entwickelt, dann streiten die jetzt ein bisschen, wägen den ungesühnten Mord und die angebliche Brandstiftung gegeneinander ab, einer nach dem anderen macht Zugeständnisse, man zieht wieder ab, schickt dann neue Unterhändler, na ja, und in ein paar Monaten wechselt noch ein bisschen Geld den Besitzer, und die Landvermesser dürfen wiederkommen.«
»In ein paar Monaten?«, fragte Peter Brandmann entsetzt. »Bis überhaupt vermessen werden kann? Dann kann es ja ein Jahr dauern oder mehr, bis wir bauen können!«
Der Ladenbesitzer zuckte die Schultern. »Das kann so kommen«, bestätigte er gemütlich. »Aber was soll’s denn nun sein? Kann ich Ihnen eine Angelausrüstung verkaufen? Fische fangen dürfen Sie hier überall, und das verkürzt auch die Wartezeit …«
Jakob Lange schnaubte verärgert.
»Sie haben überhaupt keine Waffen?«, fragte Ottfried noch einmal. Nach wie vor war es ihm nicht geheuer, wehrlos zu den Eingeborenen zu ziehen.
»Na ja, wenn Sie darauf bestehen …« Der Mann stand auf und suchte ein bisschen in einem Regal herum, bis er einen Kasten fand und auf die Ladentheke stellte. »Ich hätte hier eine Muskete. Hat so ein Glücksritter bei mir gegen eine Angel eingetauscht, der war wohl irgendeiner Armee entlaufen. Ist ein schönes Stück, aber ein Ladenhüter. Bisher hat sich nie jemand dafür interessiert.«
Peter Brandmann hob die Muskete aus der Kiste, die auch Zündhütchen enthielt. Er hatte keine Ahnung von Feuerwaffen, versuchte jedoch, das nicht zu zeigen.
»Dann sollten Sie uns ja auch einen guten Preis machen können«, eröffnete er die Verhandlungen.
Kurze Zeit später schloss der frühere Walfänger seinen Laden und ging mit den Zuwanderern in den Hof, um Ottfried das Schießen beizubringen. Es verlief ganz erfolgreich, der junge Mann lernte schnell, die Muskete zu laden und abzufeuern. Im Allgemeinen auch in die Richtung, in die er zielte. Die Männer waren zufrieden, als sie schließlich
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