Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
sich zweifellos über diese Übersetzerin wundern, bislang hielt Cat nur den Kontakt des Stammes zu fliegenden Händlern und Missionaren, die ins Dorf kamen. Te Ronga ließ es nicht zu, dass sie die Männer bei diplomatischen oder gar kriegerischen Aktionen begleitete. Sie war besorgt um ihre Pflegetochter und wusste nur zu gut, dass Frauen bei den weißen Siedlern wenig galten.
»Hoffentlich stören sie sich nicht an mir oder an den Frauen unter den Ältesten«, gab Cat nun auch zu bedenken.
Te Puaha winkte ab. »Te Ronga wird Te Rauparaha ebenfalls begleiten. Und sie hatte noch nie Schwierigkeiten, ihr mana sichtbar zu machen.« Mana bezeichnete bei den Stämmen Ansehen und Durchsetzungsfähigkeit. »Und was dich angeht: Du bist tohunga , das müssen sie akzeptieren.«
Cat lächelte stolz. Sie war glücklich über diesen Ehrentitel, den der Stamm ihr zuerkannt hatte, weil sie nicht nur das Englisch der gewöhnlichen pakeha fließend beherrschte, sondern vor Kurzem auch noch mit einem deutschen Missionar in seiner seltsamen Sprache verhandelt hatte. Tohunga nannten die Maori einen Menschen, der sich auf einem bestimmten Gebiet ungewöhnlich viel Wissen erworben hatte. Das konnte das Reich der Götter und das der Heilkunde betreffen, aber auch den Bau von Häusern, das Schnitzen von Götterstatuen oder die Beherrschung verschiedener Sprachen. Und Cat hatte sich ihre Stellung besonders hart erarbeitet, da sie bei ihrer Aufnahme in den Stamm nicht einmal ein Wort der von den Maori gesprochenen Sprache beherrschte. Wie sie überhaupt alles hatte lernen müssen, das den Menschen hier selbstverständlich war, vom Auslegen einer Reuse zum Fischfang bis zum Anpflanzen und Ausgraben von Süßkartoffeln.
»Wie hast du bisher überhaupt überleben können?«, neckte Te Ronga das Mädchen damals fast jeden Tag.
Cat war rot vor Scham geworden, wenn ihr selbst die kleinsten Kinder zeigen konnten, welche Pflanze essbar war oder mit welchen Blättern man sich einreiben konnte, um sich vor Insekten zu schützen. Aber sie hatte alles schnell begriffen. Vor allem Sprachen zu erlernen fiel ihr leicht, sie konnte sich bald verständigen. Und dann erfuhr sie eben auch alles andere, geführt von der liebevollen Hand Te Rongas, die ihr im Stamm den Weg ebnete.
Sie ist jetzt meine Tochter!, hatte sie erklärt, nachdem ihr Vater, Häuptling Te Rauparaha den Händler Carpenter mit einer kleinen Abfindung dafür belohnt hatte, das Mädchen zu den Ngati Toa gebracht zu haben. Te Ronga hatte die eingeschüchterte Cat ins Schlafhaus des Stammes gebracht und ihr ein Lager neben dem ihren angewiesen. Zu Cats Verblüffung teilten sich alle Mitglieder des Stammes einen großen Schlafraum. Nur die Häuptlinge hatten eigene Häuser, in denen sie von ihren Ehefrauen mehr oder weniger oft besucht wurden. Wie Cat bald feststellte, schlief Te Ronga häufig bei ihrem Mann Te Rangihaeata, das Paar pflegte eine sehr enge, liebevolle Beziehung. Aber in den ersten Nächten, die Cat – noch zitternd vor Furcht, alles könnte nur ein Spiel sein und am Ende würden die Maori sie Reverend Morton und Carpenter wieder überlassen – im Schlafhaus verbracht hatte, war die junge Maori bei ihrer neuen Tochter geblieben. Sie hatte versucht, Cat verständlich zu machen, dass es hier nichts zu fürchten gab, zeigte ihr, wie man die unbekannten Speisen aß und wie man tagsüber die Matte zusammenlegte, auf der man des Nachts schlief. Erstaunlicherweise unterstützten alle anderen im Stamm ihre Bemühungen, das weiße Mädchen heimisch werden zu lassen. Als Cat die ersten Worte lernte, stellte sie verwirrt fest, dass sie auch alle anderen Frauen in Te Rongas Alter Tochter nannten und liebevoll behandelten. Die Älteren sagten mokopuna – Enkelin.
Alle Kinder gehören in Stamm, und Te Ronga viel mana , da niemand sagen Nein zu neue Tochter, hatte Te Puaha, den Cat schüchtern danach fragte, erklärt. Du jetzt viele Mütter. In den ersten Wochen war Te Puaha für Cat der wichtigste Mensch im Stamm gewesen. Te Ronga hatte ihn ständig als Übersetzer hinzugezogen, und Cat war ihm dankbar für seine Geduld und seine selbstverständliche Freundlichkeit gewesen. Und noch etwas war neu für sie: Nicht ein einziges Mal blickte Te Puaha sie lüstern an!
Sehr bald war Cat so in ihrem neuen Leben aufgegangen, dass sie kaum noch an Suzanne, Priscilla, Noni und die Walfangstation in der Piraki Bay dachte. Barker war weit fort, sein Pub erschien Cat nur noch wie ein böser
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