Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
sich kurz, als er an Deck stand. Ein imponierender Anblick – die eben noch verteidigungsbereiten Männer wichen ängstlich vor ihm zurück, obwohl er seinen Speer im Kanu gelassen hatte. Allerdings trug er eine keulenartige Waffe am Gürtel. Karl bemerkte, dass Ottfried Brandmann den Mann totenbleich anstarrte. Schließlich ging der Maori auf Captain Wakefield, Officer Thompson und die Landvermesser zu, die ihm furchtlos entgegenblickten.
Fenroy tippte Karl aufmunternd auf die Schulter, bevor er sich ebenfalls in Bewegung setzte. »Ich muss dann mal arbeiten«, verabschiedete er sich und gesellte sich den Anführern der Engländer zu.
Der Maori-Mann streckte Wakefield eben die Hand zum Gruß entgegen. »Ich Te Puaha, Neffe von Häuptling. Ich grüßen in Name von Te Rauparaha …«
»Vielleicht wollen wir von dem ja gar nicht gegrüßt werden!«, gab Thompson unfreundlich zurück.
Der junge Maori schaute unsicher und fast etwas verletzt. »Ich grüßen!«, wiederholte er und wandte seine ausgestreckte Hand jetzt Wakefield zu.
Sein Blick wanderte zudem prüfend über die Menge der Bewaffneten hinter den Anführern. Es konnte ihm nicht entgehen, dass viele Hände auf den Musketen lagen, dazu murmelten einige der Männer Schmähungen.
Te Puaha ließ die Hand sinken. »Ich laden ein, setzen über in meine Kanu. Ist Häuptlingskanu. Ist Ehre für Wakefield … und Thompson.«
»Woher kennt der Affe meinen Namen?«, raunte Wakefield dem Officer zu.
»Ich vorher schon gehabt Ehre zu reden für Häuptling«, erklärte Te Puaha. Den Affen ließ er unkommentiert, er wirkte auch nicht beleidigt. Anscheinend war ihm das Wort nicht bekannt, und er mochte es auch gewohnt sein, dass seine Leute für die Weißen alle gleich aussahen. »Bei Verkauf von Land. Und nun bitte, Wakefield, Sie kommen, grüßen Stamm, grüßen ariki , Häuptling: Und nicht sein so zu ariki wie sein zu mir! Te Rauparaha große Häuptling. Nicht geduldig!« Die letzten Worte klangen wie eine Warnung.
»Captain Wakefield, wenn ich bitten darf!«, stellte Wakefield mit scharfer Stimme richtig.
Aber jetzt übernahm Christopher Fenroy. Er gebot dem Captain mit einer beschwichtigenden Geste zu schweigen und richtete ein paar höfliche Worte an den Maori. Offenbar stellte er sich vor, ebenso Tuckett. Auch der Name Cotterell fiel.
»Wir kennen uns schon!«, erklärte Cotterell, ein langer, sehr dünner Mann mit hellem Haar und ovalem Gesicht. » Kia ora , Te Puaha.«
Der Landvermesser hielt dem Maori die Hand hin. Ein Zeichen, dass er zumindest dem Übersetzer nicht übel nahm, dass der Stamm die Vermessungen ein paar Wochen zuvor unterbrochen, die Hütten der Vermesser verbrannt und Cotterell und andere hinausgeworfen hatte.
Te Puaha grinste breit. »Verzeihung, dass letzte Mal Umstände nicht freundlich. Aber nicht man geht auf fremde Land, vermessen. Macht man besser wie jetzt. Kommen in marae von Ngati Toa, begrüßen, essen, reden …«
Noch einmal wies er einladend auf das Kanu, ein großes, mit aufwendigen Schnitzereien geschmücktes Boot. Tuckett warf Cotterell einen Blick zu, und die beiden Landvermesser machten Anstalten, das Kanu zu ersteigen. Captain Wakefield und Officer Thompson blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen.
»Kanus für alle Männer«, erklärte Te Puaha und zeigte auf Karl und die anderen sowie auf die weiteren Boote, die jetzt um die Victoria herum im Wasser lagen. »Alle willkommen zu powhiri . Haere mai .«
Chris Fenroy wandte sich noch kurz an die Männer auf der Victoria , bevor er hinter den Anführern des Trupps das Häuptlingskanu bestieg.
»Die Leute wollen uns alle mit einer Willkommenszeremonie ehren«, erläuterte er Te Puahas Einladung. »Sie können die Kanus also ohne Bedenken besteigen. Die Männer des Häuptlings werden Sie an Land rudern. Aber bitte bleiben Sie dabei ruhig und höflich. Wir sind Gäste hier …«
»Gäste!« Ottfried schnaubte. Er hatte sich eben neben Karl geschoben, anscheinend aus dem dringenden Bedürfnis heraus, sich mit irgendjemandem in seiner Muttersprache austauschen zu können. Wobei er das Wort guests allerdings richtig interpretiert hatte. »Als ob das ein Höflichkeitsbesuch wäre …«
Karl ließ das unbeantwortet. Er hatte auch zu viel damit zu tun, seine Muskete möglichst unbemerkt von den Maori wieder im Holster zu verstauen. Es sah zum Glück nicht aus, als würde er die Waffe brauchen. Karl beschloss, Fenroy zu vertrauen und sich nicht zu fürchten.
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