Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
bald Gleisbau … Wenn du fleißig bist, kannst du schnell zu was kommen. Und Englisch kannst du ja auch schon ganz gut.«
»Du auch Siedler?«, erkundigte sich Karl. »Du aus England?«
Fenroy schüttelte den Kopf und grinste jungenhaft. »Nein. Du stehst vor einem der wenigen, die schon an diesem Ende der Welt geboren sind. Nicht in Neuseeland allerdings, in Australien. Meine Eltern sind erst nach Sydney ausgewandert und kamen dann hierher, als ich zehn war.«
»Und da haben Farm?«, fragte Karl. »Oder hier Farm?«
»Nein.« Fenroy schaute aufmerksam zum Ufer hinüber, während er sprach. »Mein Vater macht mal dies, mal das, er schlägt sich so durch. Im Grunde sind wir nicht mehr als Habenichtse. Aber mit einem großen Namen. Die Fenroys sind ein englisches Adelsgeschlecht, Verwandte von uns residieren in einem Schloss in Yorkshire. Unser Zweig der Familie war dagegen schon in England verarmt. Wie auch immer – ich kann mich nicht beklagen. Übersetzer werden händeringend gesucht, und die Bezahlung ist auch nicht schlecht.«
»Wo du gelernt Maori?«, erkundigte sich Karl begierig. »Ist einfach? Kann ich auch lernen?«
Fenroy schüttelte bedauernd den Kopf. »Es ist verdammt schwierig«, stellte er richtig. »Hat absolut nichts gemein mit Englisch. Ich hab’s als Kind gelernt, mein Vater fuhr von einem Stamm zum anderen und verkaufte … Na ja, er sagte Saatgut und Haushaltswaren, aber meist war’s Whiskey. Ich spielte derweil mit den Maori-Jungen – später auch ganz gern mit den Mädchen, wenn du weißt, was ich meine …« Er vollführte eine obszöne Geste, grinste dabei jedoch so verschmitzt, dass Karl nicht peinlich berührt war.
»Und sie euch nie was getan?«, wollte Karl wissen.
Die Sache mit der Muskete brannte ihm auf den Nägeln. Es war interessant, sich mit diesem Mann zu unterhalten, der offensichtlich mehr über das Land wusste als alle anderen, mit denen er je gesprochen hatte. Aber wenn es womöglich zum Kampf kam und er seine Waffe nicht beherrschte …
Fenroy verneinte. »Sie tun nicht mal so blinden Idioten wie Thompson und Wakefield was«, erklärte er respektlos. »Manchmal bewundere ich regelrecht ihre Geduld mit uns Weißen … Dabei sind sie durchaus ein stolzes Volk. Dieser Te Rauparaha, den sie jetzt allen Ernstes festnehmen wollen wie einen dahergelaufenen Gauner, ist ein großer Häuptling, der diverse Kriege mit anderen Stämmen geführt und gewonnen hat. Desgleichen sein Schwiegersohn Te Rangihaeata. Mit so jemandem sollte man Frieden halten und guten nachbarschaftlichen Kontakt. Ich hoffe also, dass unser Polizeipräfekt es beim Säbelrasseln belässt und nicht ernstlich Unsinn macht. Aber ganz ehrlich, wenn Tuckett mich nicht gebeten hätte … ich wäre nicht mitgefahren. Er meint allerdings, mit meiner Hilfe vermitteln zu können, und Cotterell ist auch ein guter Mann …«
»Wer ist Tuckett und wer Cotterell?«, fragte Karl und nestelte jetzt wirklich seine Muskete aus dem Holster. »Und … Du vielleicht wissen, wie das funktioniert?«
Fenroy lachte und besah sich die Waffe. »Frederick Tuckett ist der oberste Landvermesser von Neuseeland«, verriet er dabei, »und Cotterell arbeitet für ihn. Er sollte hier die Wairau-Ebene vermessen, aber die Maori haben ihn und seine Leute ja rausgeworfen. Ohne dass er Widerstand geleistet hat. Wie gesagt, ein besonnener Mann. Und ich war bisher viel mit Tuckett unterwegs, meist auf der Nordinsel, hoffentlich verstehe ich den hiesigen Dialekt überhaupt … Na ja, und da bin ich mitgekommen. Auch, weil er hier interessante Kontakte hat.«
»Kontakte?«
Karl förderte Zündhütchen und Kugeln zutage und versuchte herauszufinden, wie man die Muskete damit lud. Fenroy sah sich das eine Zeit lang an, nahm sie ihm dann aus der Hand und schob die Kugel gekonnt in den Lauf.
»Das Ding ist ein Vorderlader«, erklärte er kurz, kam dann aber auf besagte Kontakte zurück. »Mr. Tuckett kennt jemanden, von dem er meint, er könnte mir nützlich sein. Ich hätte so gern eine Farm.« Fenroys Blick wurde sehnsüchtig.
Karl lachte. »Ich auch!«, meinte er und fuhr fort, die Muskete zu laden, um Übung zu bekommen. »Fehlt nur Geld …«
Fenroy zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Genau. Und Geld kann man verdienen, man kann es erben oder man kann es heiraten. Und in meinem Fall ist wohl jemand scharf darauf, seine Tochter mit einem großen englischen Namen zu schmücken. Wahrscheinlich kennst du den Mann sogar. Sind die
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