Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
hoffen und beten«, meinte er. »Und die Männer können Gott danken, dass Fenroy bei ihnen ist. Der spricht die Sprache, kennt die Gebräuche. Wenn sie jemand da herausreden kann, dann er.«
Christopher Fenroy war beim Blick auf die sterbende Te Ronga und spätestens bei Te Rangihaeatas Totenklage zu dem gleichen Schluss gekommen wie Karl: Hier war nichts mehr zu retten, das Beste war eine rasche Flucht. Aber der Blick der blonden jungen Frau hatte ihn einen Herzschlag zu lange gefesselt – er hatte nicht gehen können, ohne wenigstens eine Entschuldigung zu stammeln, auch wenn niemand darauf hörte.
Als er schließlich in Richtung Brigg hastete, fand er sich in Gesellschaft von Wakefield. Der Captain schien nun entschlossen, auf Verhandlung zu setzen.
»Aufhören! Stehen bleiben! Das war ein Unfall!«
Seine Worte richteten sich wohl an die anstürmenden Maori. Aber sie verhallten natürlich ungehört.
Wakefield fasste den jungen Übersetzer am Arm. »Hiergeblieben! Sie wollen doch nicht feige die Flucht ergreifen! Übersetzen Sie!«
Christopher Fenroy versuchte, sich in Todesangst loszureißen, die Krieger waren jedoch schon zu nahe.
»Wir ergeben uns!«, brüllte Wakefield ihnen entgegen. »Verstehen Sie? Wir geben auf!«
Christopher übersetzte – und atmete auf, als nun auch Te Rauparahas Stimme den Lärm übertönte.
»Genug!«, befahl der Häuptling. »Nehmt die Leute gefangen …«
Kurz darauf fand sich Christopher Fenroy, gemeinsam mit achtzehn weiteren überlebenden Engländern, erneut auf dem Dorfplatz wieder, diesmal mit gefesselten Händen. Einige von ihnen, darunter Thompson, waren verwundet. Drei weitere pakeha waren gefallen, und die Maori zerrten ihre Körper an den Rand des marae . Maori-Frauen beklagten drei tote Maori-Krieger.
»Die gleiche Anzahl an Gefallenen«, murmelte Captain Wakefield. »Das ist gut, erleichtert die Verhandlungen …«
»Und die Frau«, bemerkte Fenroy.
Der jüngere Häuptling saß am selben Platz, wiegte seine gestorbene Frau in den Armen, weinte und klagte. Desgleichen die blonde Weiße. Sie versuchte, Te Rangihaeata dazu zu bringen, die Frau loszulassen, wohl um sie wegbringen und aufbahren zu lassen. Dabei strömten ihr die Tränen aus den Augen. Sie hielt die Hand der Getöteten, als wäre es möglich, sie wiederzuerwecken.
»Die Frau war ein Unfall«, beharrte Wakefield.
Fenroy biss sich auf die Lippen.
Nun trat Te Rauparaha zu Te Rangihaeata. Er kniete neben der Frau nieder, vergewisserte sich wohl jetzt erst, dass sie tot war, und rief seinerseits eine Totenklage zu den Göttern.
»Was soll das?«, fragte Wakefield seinen Übersetzer unwillig.
»Er beklagt seine Tochter«, seufzte Fenroy. »Die Frau war also eine Verwandte. Es muss aber nicht wirklich seine Tochter gewesen sein, vielleicht haben wir Glück, und es war nur eine Nichte …«
»Das wird teuer«, stöhnte Wakefield.
Christopher rieb seine Handgelenke aneinander und versuchte, die Fesseln wenigstens zu lockern. Es lenkte ihn auch von seinen Befürchtungen ab, die sich dann jedoch gleich bewahrheiteten.
Te Rauparaha hatte sein Klagelied beendet und wandte sich nun den Gefangenen zu. Er sagte etwas zu Te Rangihaeata und Cat, die sich daraufhin erheben wollte. Wahrscheinlich bat er sie um Übersetzungsdienste. Aber dann sprang Te Rangihaeata auf und schrie den Häuptling an.
»Du willst nicht wirklich verhandeln! Du kannst sie nicht begnadigen! Sie haben deine Tochter getötet!«
Chris übersetzte für den Captain, während aus den Reihen der Maori zustimmende Schreie laut wurden. Die Krieger stießen ihre Speere auf den Boden.
Te Rauparaha schürzte die Lippen. Dann gab er ein paar Anweisungen, winkte einigen Männern und Frauen zu und schritt gleich darauf auf eines der Häuser zu. Die Ausgewählten, ältere Stammesmitglieder, folgten ihm – und kurz darauf auch Te Rangihaeata, der den Leichnam seiner Frau sichtlich widerstrebend zurückließ. Die blonde Weiße bedeckte ihn schließlich mit einer Decke. Dann näherte sie sich widerstrebend den Gefangenen.
»Es tut mir so leid!«, sagte Chris in der Sprache der Maori.
Captain Wakefield mischte sich auf Englisch ein. »Der Häuptling muss uns glauben, niemand wollte das …«
»Der Häuptling muss gar nichts«, erwiderte das Mädchen brüsk. »Er wird sich jetzt mit den Ältesten des Stammes beraten. Sie werden entscheiden, wie weiter mit euch zu verfahren ist.«
»Aber er sollte mich bei den Verhandlungen hinzuziehen!«,
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