Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
und hörte die Stimmen Wakefields und Thompsons, die ihre Leute Feiglinge schimpften. Ein paar wenige blieben daraufhin wirklich stehen und erwiderten das Feuer – vielleicht starben also noch einige Maori. Karl sah nicht zurück. Aber dann hörte er einen Schrei, nach dem er sich umwenden musste. Tuckett, der Landvermesser, fiel hinter ihm getroffen auf die Knie.
Karl eilte zu ihm und zog ihn in die Deckung eines Strauches. Der Mann stöhnte und hielt sich den rechten Oberschenkel. Lebensgefährlich verletzt schien er nicht zu sein, doch allein kam er kaum weiter. Karl überlegte nicht lange.
»Arm über mein Schulter!«, befahl er dem Mann und zog ihn auch schon in eine Position, in der er ihn stützen konnte. »Und rennen!«
Tuckett versuchte es, hielt dann aber keuchend inne.
»Wir ergeben uns!«, schrie Wakefield hinter ihnen. »Engländer, Waffen niederlegen! Dies ist Wahnsinn, wir müssen das beenden! An alle, ergeben Sie sich!«
Karl sah, wie der Captain ein Taschentuch zückte, an einem Ast festband und damit wedelte. Tuckett schien unschlüssig – jetzt hatten sie den Strand jedoch fast erreicht, und die ersten Männer ließen die Kanus der Maori zu Wasser, um zur Victoria hinüberzurudern. Andere versuchten zu schwimmen. Ottfried war bei ihnen, er warf einen panischen Blick auf den Captain, schien dessen Geste jedoch nicht zu verstehen und seine Worte natürlich erst recht nicht.
Karl zog Tuckett auf die Beine. Wenn Ottfried schon nicht wusste, was die weiße Fahne zu bedeuten hatte – wie sollten sich dann die Maori mit den Gepflogenheiten englischer Kriegführung auskennen? Mal ganz abgesehen davon, dass Tuckett einen Arzt brauchte.
»Wir weg!«, brüllte er dem Landvermesser ins Ohr.
Er schwankte kurz zwischen Kanu und Fluss und schob Tuckett schließlich ins Wasser, wobei er die Deckung eines der Kanus suchte, auf das die Maori natürlich schossen. Immer noch waren Schreie zu hören, Karl fragte sich, wie er das Deck der Victoria erreichen sollte, aber dann wurde ihm auch schon ein Seil heruntergeworfen. Er wickelte es um Tucketts Oberkörper, und die Männer der Mannschaft zogen den Landvermesser hinauf. Karl selbst fand eine Strickleiter. Direkt hinter Ottfried fiel er erschöpft über die Reling.
Die Maori-Krieger sprangen nun ihrerseits in die Kanus, um das Schiff aufzuhalten. Andere schossen auf die Brigg. Ein paar der Engländer, die sich schon gerettet hatten, erwiderten ihr Feuer vom Deck der Victoria aus und gaben damit ein paar letzten Flüchtlingen die Chance, an Bord zu kommen, während die Mannschaft die Segel setzte.
Ottfried versuchte, es ihnen gleichzutun, musste seine Muskete aber erst nachladen. Karl fragte sich kurz, wann er die erste Kugel wohl verschossen hatte. Auf der Flucht kaum, da hatte er keinen Blick zurückgeworfen. Dann jedoch vergaß er Ottfried und brachte sich lieber hinter den Deckaufbauten in Sicherheit. Einer der Matrosen bemühte sich dort auch um Tuckett.
»Ist nicht schlimm, glatter Durchschuss«, meinte er gelassen. »Und kein wichtiges Blutgefäß verletzt … Ich werde es trotzdem mal abbinden …«
»Aber ohne Sie wäre ich nicht hier«, wandte der Landvermesser sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an Karl. »Vielen Dank. Es ist sicher besser, das in Nelson auszukurieren als in einem Maori-Dorf …«
Karl wehrte beschämt ab. »Nicht gemacht viel. Maori … töten Männer?«
Es wehte ein frischer Wind, die Victoria bewegte sich rasch auf dem Fluss, und die Maori hatten die Verfolgung aufgegeben. Die Flüchtenden konnten sich also entspannen und eine erste Bestandsaufnahme versuchen. Sie fiel verheerend aus: zweiundzwanzig Mann fehlten, darunter Captain Wakefield, Officer Thompson, der Landvermesser Cotterell und Christopher Fenroy.
»Ob sie die Gefangenen töten?«, fragte Tuckett. »Ich hoffe nicht. Wahrscheinlich werden sie Geld fordern, um sie auszulösen. Vielleicht auch Waren, irgendwelche Zugeständnisse – womöglich die Auslieferung des Mörders aus Nelson, den Wakefield nicht vor Gericht gestellt hat …«
»Jetzt noch zweiter Mörder«, gab Karl zu bedenken.
Ob aus Kalkül, weil er die Nerven verloren hatte, oder einfach aus Ungeschick mit der ungewohnten Waffe hatte einer der Engländer die Maori-Frau erschossen, die bei den Häuptlingen gestanden hatte. Also sicher nicht irgendeine Stammesangehörige, sondern ein Familienmitglied Te Rauparahas. Das machte die Sache zweifellos ernster.
Tuckett seufzte. »Wir können nur
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