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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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sie endgültig ihren Entschluss. Lautlos und unsichtbar wie ein Schatten schob sie sich näher an den Gefangenen heran, zog ihr Messer und durchtrennte Christophers Fesseln.
    Der junge Mann sah sie verwirrt an. »Du lässt uns laufen?«, fragte er ungläubig. »Gib mir dein Messer, ich befreie die anderen …« Als sie nicht gleich Anstalten dazu machte, bückte er sich nach einem Stein, prüfte seine Schärfe und wandte sich dem schlafenden Wakefield zu.
    Cat schüttelte den Kopf. »Nein!«, wiederholte sie entschlossen. »Ich lasse nicht euch laufen, nur dich! Du allein kannst unbemerkt fliehen. Wenn du sie alle losmachst – dann schlagen die Wachen Alarm, bevor noch die Ersten den Pferch verlassen haben. Euer Schiff ist längst fort. Wenn ihr es zu Fuß versucht, fangen sie euch gleich wieder ein, oder sie erschießen euch auf der Flucht.«
    Christopher biss sich auf die Lippen. Sie hatte Recht. Selbst wenn sie unbemerkt entweichen könnten, und das war unwahrscheinlich, da die Wachen zwar abgelenkt waren, aber doch nicht schliefen – neunzehn verwirrte, an das Leben in der Wildnis absolut nicht gewöhnte Männer, die hier durch die Wälder stolperten, hatten keine Chance, bis nach Nelson zu kommen. Er allein dagegen – vor dem nächsten Morgen würde man seine Flucht gar nicht bemerken. Vielleicht nicht einmal dann, er hatte keine Ahnung, ob jemand die Gefangenen gezählt hatte. Und er kannte dieses Land, er wusste, wie er sich nach Nelson durchschlagen konnte. Vielleicht konnte er sogar noch Hilfe holen. Es war ja nicht gesagt, dass man die Hinrichtungen gleich am kommenden Morgen durchführen würde …
    Chris kämpfte seine Schuldgefühle nieder. Er wollte leben! Behände rollte er sich unter dem Zaun durch und griff spontan Cats Hände.
    »Danke! Vielen Dank, Poti. Und nochmals, es tut mir unendlich leid …«
    »Geh!«, sagte Cat und wies auf die Begrenzung des marae , hinter der sich gleich der Wald befand. »Folge dem Zaun, hinter dem Kochhaus ist noch ein Tor. Der Weg führt zum Bach, und der führt zum Fluss …«
    Sie wandte sich zum Gehen, als Chris mit den Schatten verschmolz. Aber dann, als sie vom Pferch aus zurück zum Versammlungsplatz schlich, um sich unauffällig unter die Trauernden zu mischen, vernahm sie die Stimme Te Rangihaeatas.
    »Woher kommst du, meine Tochter?«
    Cat fuhr zusammen. Sie hatte den Häuptling an der Bahre seiner Frau vermutet, doch er hatte wohl allein sein wollen. Vom Versammlungshaus aus überblickte er den Dorfplatz – er hatte wohl auch zum Pferch der Gefangenen hinübersehen können.
    »Ich … ich bin ein bisschen umhergelaufen …«, murmelte sie. »Mein Herz ist mit Trauer erfüllt …«
    »Aber tut es dir nicht auch leid um die pakeha? « Die Stimme des Häuptlings war plötzlich lauernd. »Sie werden sterben, du weißt das, oder?«
    »Ach ja? Wurde das beschlossen?« Cat heuchelte Überraschung, doch sie war keine gute Lügnerin. »Nun, sie … sie haben es verdient. Dieser Wakefield ist kein guter Anführer, erst recht nicht dieser Officer. Sie …«
    »Du fühlst also nicht wie eine pakeha , Cat?«, fragte der Häuptling.
    Cat fuhr zusammen. Noch nie hatte sie jemand bei dem Namen gerufen, den sie sich bei ihrer Ankunft im Maori-Dorf gegeben hatte. Te Ronga hatte sie stets nur Poti genannt.
    »Ich fühle wie die Tochter Te Rongas!«, sagte sie fest, und das war nicht gelogen. »Das heißt, ich fühle wie ein Mensch. Tangata , verstehst du?«
    Sie sprach das Wort mit einem kurzen a nach dem ersten T aus. Damit bezeichnete es alle Menschen auf der Welt. Mit einem langen a nur die Mitglieder eines Stammes.
    Der Häuptling sah sie lange an. »Unsere Sprache zumindest hast du gut gelernt«, sagte er. Dann wies er auf die Gefangenen im Pferch. »Du wirst ihnen morgen unser Urteil verkünden. Beweise uns, dass du tāngata bist – ein Teil der Ngati Toa.«
    Christopher verließ das Dorf, aber er ging nicht weit. Dabei konnte er sich sein Zögern nicht erklären. Es sollte ihm doch darum gehen, möglichst schnell seine Haut zu retten, vielleicht auch noch Hilfe für die anderen zu holen. Gerade Letzteres lag ihm auf der Seele. Wenn er jetzt blind nach Nelson floh und von den Urteilen erzählte, würde Captain Wakefields Bruder unverzüglich Männer auf den Weg schicken, um die Gefangenen zu befreien. Womöglich erneut einen so zusammengewürfelten Trupp, den die Maori sofort aufrieben. Dann gäbe es noch mehr Tote, und aus diesem unglückseligen

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