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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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hast geglaubt, ich würde zu den Ahnen gehen ... Doch die Ahnen haben mir Träume geschickt. Ich kann mich nur an wenig erinnern. Ich habe so viel gesehen ... Manches sehe ich immer noch. Ich werde diese Bilder tanzen, damit du verstehst. Sobald ich kann, tanze ich sie für dich und Leinocka. - Leikika, was ich erlebt habe, was ich gesehen habe, gibt es nicht in dieser Welt!“
    „Die Medizin der Knochenfrau ist schuld! Ihre Medizin hat dir diese Träume geschickt. Sie ist eine mächtige Frau!“, entgegnete Maramir fröstelnd und sah wie gebannt ins Gesicht ihrer Schwester. Wieder stieg diese Angst in ihr auf, diese Angst vor dem Tod - dem Danach – dem Reich der Toten.
    „Nein! Leikika, die Ahnen haben mir die Anderswelten gezeigt. Die Medizin der Knochenfrau ist nicht böse. Die Wunden heilen. Sie hat mir eine Medizin gegeben gegen den Schmerz und gegen böse Geister. Die Alte ist gut zu mir. - Ich weiß, wir sind nicht willkommen. Aber die mächtige Knochenfrau hat uns aufgenommen. - Die Spitzgesichter tragen Zähne und Krallen von Bären um den Hals. Die aufgeschichteten Knochen dort ... Der große Bärenschädel darauf ... Ein Ort der Verehrung! Ich habe beobachtet, wie die Alten des Stammes dort Fleisch und Zweige niedergelegt haben, wie sie den Schädel mit Blut übergossen und zu ihm gesprochen haben. - Leikika, ich glaube, die Bären sind ihre Ahnen! Verstehst du? Die Ahnen haben uns nicht verlassen! Erinnerst du dich, was Grauer Wolf zu mir sagte? - Der Wolf wird mit dem Bär leben, solange der Wolf schwach ist!“
    „Die Ahnen ... sind noch mit uns, Kar?“
    Maramir warf sich die Hände vors Gesicht. Das Gefühl der Erleichterung war so mächtig, daß ihr Tränen in die Augen schossen.
    „Leikika, hör mich an! Trotz allem müssen wir vorsichtig sein! - Erzähl mir, was du gesehen hast, während ich in der Anderswelt war!“
    „Die Spitzgesichter ...“ Maramir wischte sich den Tränenschleier aus den Augen und sah über ihre Schulter: Feuerauge hatte sich in das Wisentfell gehüllt, das ihre nackten Körper während der Vereinigung vor der Kälte geschützt hatte. Er schien eingeschlafen zu sein.
    „ ... sie müssen mutige, große Jäger sein. Die Knochen ihrer Beute stammen von den riesigen Zweischwänzen und von ausgewachsenen Zweihörnern. - Ihre Kinder spielen, streiten und weinen viel, genau wie die Kinder unseres Stammes.“ Maramir hielt einen Augenblick inne, bevor sie fortfuhr: „Ich habe gesehen, wie sie den Schädel des toten Spitzgesichtes bestattet haben: Die Männer tranken eine Medizin der Knochenfrau. Manche von ihnen fingen an zu schwanken und zu zucken – sie verhielten sich seltsam, als ob sie plötzlich etwas sahen, das ich nicht sehen konnte. Die Knochenfrau hielt den Bärenschädel über ihren Kopf – und sprach mit veränderter, tiefer Stimme zu ihnen, als wäre ein Geist in sie gefahren, während die Frauen den Toten beklagten und beweinten, - und die Männer seine Seele aßen.“
    „Sie essen die Seele von einem Toten ihres Stammes?“, fragte Kar erschrocken und schien ebenso überrascht. „So gelangt er nie ins Reich ihrer Ahnen.“, stellte sie fest.
    „Seine Seele wohnt nun in ihnen weiter“, vermutete Maramir.
    „Aber dann haben sie keinen Ort nach dem Tod, an dem sie weiterleben. - Und sie haben keine Ahnen“, erklärte Kar.
    „So wird es sein!“, erwiderte Maramir. „Die Spitzgesichter haben nur den Stamm.“
    „Aber wer beschützt sie? Wer lenkt sie?“, fragte Kar.
    „Sie selbst sind stark“, antwortete Maramir, „sie scheinen sich vor nichts zu fürchten.“
    „Wie der Bär!“, fügte ihre Schwester hinzu.
    Maramir nickte zustimmend.
    „Drei schwache Wölfe unter Bären“, fuhr Kar nachdenklich fort. „Einige unter ihnen würden uns lieber töten, als uns in ihrer Mitte zu dulden.“
    „Du hast Recht. Man will uns hier nicht! Die Kinder werfen mit Knochen und Stöcken nach uns, und die Frauen und Männer lachen darüber.“
    Kar deutete mit ihrem Kinn in eine bestimmte Richtung.
    „Hast du bemerkt, wieviel Verachtung diese beiden Frauen uns entgegenbringen?“
    Maramir sah nur kurz hin und wandte sich dann wieder ihrer Schwester zu, da beide zu ihr herüber sahen. Schon seit Tagen waren ihr die Dunkelhaarige mit dem roten, markanten Hautfleck auf der Wange und die andere Frau mit dem fehlenden halben Finger neben dem Daumen ungut aufgefallen. Von Anfang an beobachteten sie Maramir ausschließlich mit grimmigen Blicken, redeten viel über

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