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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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spürte Scharfe Zunge ein Pochen in seiner Brust und er hatte das Gefühl, daß die Bärenkrallen an seiner Kette, die er um den Hals trug, sich langsam in seine Haut bohrten. Da flammte die Erinnerung an den Kampf mit dem Bären, von dessen Tatzen er diese Krallen hatte, wieder auf. Er war damals schon ein erfahrener Jäger gewesen, als er in einem erbitterten Kampf, gemeinsam mit den anderen Jägern, dem verletzten großen Bären, der in einem Kampf mit einem Rivalen verletzt worden war, einen ehrenvollen Tod schenkte. Sie tranken sein frisches Blut und aßen sein Herz. Ja, er, Scharfe Zunge, war ein großer Mann, der in seinem Leben Ruhm erlangt und seinen Mut und seine Klugheit durch viele Taten bewiesen hatte. Das Blut des Bären floß jetzt heiß durch seinen Körper und gespannte Gesichter um ihn herum starrten ihn erschrocken an. Nun war er bereit, dem Urvater entgegenzutreten und seine Stimme zu erheben in Ehrfurcht und voller Stolz. - Er trat hinaus in Wind und Regen, streckte seine Arme aus und rief: „Sieh her, Große Mutter! Mutter allen Lebens, hier stehe ich. Dein Sohn hat mich ausgewählt, um in seinem Namen zu sprechen und in seinem Geist zu handeln. - Nimm dieses Opfer an!“
    Scharfe Zunge nahm den Wolfsschädel samt Fell auf und trug diesen zum Feuer. Alle außer Schwarzlocke wichen voller Ehrfurcht aus dem Unterstand, in dem das Feuer brannte. Schwarzlocke stieß drei Lanzen um das Feuer in den Boden, und Scharfe Zunge hängte das Fell daran auf, so daß der Wolfsschädel in die Flammen eintauchte. Dann ritzte er sich mit einer Klinge den Unterarm auf und ließ sein Blut ins Feuer tropfen, so daß sein Arm dabei vor Hitze schmerzte, bis dieser fast taub wurde. Daraufhin begann er um beide Feuer zu tanzen, bis er schließlich ins Dunkel der Höhle eintauchte, um dort, im Leib der Großen Mutter, den Rest der Nacht zu verbringen ...
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    Zwei weitere trübe Tage vergingen. Der Regen hatte nachgelassen und der Wind wehte nicht mehr so heftig, doch sein Atem war kalt.
    Aller Mißmut wurde auf einen Schlag gebrochen, als aufgeregte Rufe das drückende Schweigen hinwegfegten und die Rückkehr von Kar und Schneller Läufer ankündigten. Im Nu versammelte sich die Sippe. Während manche gelöste Freude zeigten, empfanden andere nur Wut und Zorn. Schnell entstand Tumult, und die unüberschaubare Lage schien sich im Streit gefährlich zuzuspitzen. - Bis Schneller Läufer von einem großen Bären berichtete, auf dessen Fährte sie gestoßen waren. Er erzählte, wie sie bei der Höhle der Großen Mutter auf jene Bärin und ihre Jungen getroffen waren. Er schilderte es lebhaft und wiederholte es so oft, bis er sich mit drohenden Handzeichen und aufgeregten Bewegungen soviel Beachtung erkämpft hatte, daß die aufgebrachte Menge ihm geschlossen zuhörte. Er beschrieb die Bärin; den Glanz ihres Felles, und ihre erhabene Statur. Und er bezeugte, daß aus ihren Augen der Mächtige Bär selbst ihnen entgegengeblickt hatte, mit neuer Kraft und neuem Mut. - Er und Kar waren der Bärin schließlich gefolgt, durch ein großes Tal, bis zu einer Höhle am Fuß einer steilen Felswand ... Sein Redefluß riß ab, als Kar ihm mit einer Geste Einhalt gebot. Dann führte sie alle an den großen Felsen, der am oberen Rand des Flußtales empor ragte. Das morastige Ufergebiet konnte man bis ins Lager riechen. Kar kletterte den Felsen hinauf. Sie stellte sich mit gespreizten Armen Frauen, Männern und Kindern entgegen, und während sie in die neugierigen Gesichter hinabblickte, wußte sie, daß ihre Stimme nun laut und kräftig sein mußte. Sie durfte sich nun vor nichts mehr fürchten.
    „Der Mächtige Bär hat zu mir gesprochen! Uns allen hat er ein Zeichen gegeben: kein unheilvoller Schatten verdunkelte sein Gesicht im Land der Verstorbenen. - Er selbst wechselte sein Gesicht!“ Kar holte tief Luft und sprach schließlich eilig weiter: „Ich muß das Gewand von Tochter des Bären ablegen, weil nun der Geist eines anderen großen Bären uns beschützen wird. Der alte Bär muß sterben, damit der Geist der Bärin in uns wohnen kann; und der Geist der jungen Bären, die einmal mächtiger und mutiger sein werden, als jedes andere Geschöpf in diesem Land. Wir sollen das Fleisch des alten Bären essen, weil es uns stark macht. Und das Glück der Jagd wird unsere Jäger begleiten. Der große Bär ist alt und muß diese Welt verlassen! Ich soll sein Fell tragen, damit es mich und meine Medizin stark macht. Er wird sich

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