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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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Kinn.
    „Werferin hat Weint Wenig einen Stein an den Kopf geworfen. - Dann hat seine Mutter Werferin geschlagen ... und sie hat zurückgeschlagen!“
    „Das hätte sie nicht tun dürfen ...“
    Kar bemühte sich aufzustehen.
    „Aber Weint Wenig und die anderen haben gesagt, daß du Unglück über den Stamm gebracht hast! Der Mächtige Bär hat noch nicht gesprochen. Sie sagen: Der Mächtige Bär wohnt nicht in dir! Der Mächtige Bär lehnt dich ab, weil du ein Plattgesicht bist – wie wir.“
    „Wer sagt das?“
    „Ihre Mütter haben es gesagt. - Und jetzt streitet sich Mutter mit Begegnete dem großen Bären!“
    Jetzt stand Kar auf. Und als sie Anstalten machte hinaus gehen zu wollen, hielt Feuerhaar sie am Arm fest.
    „Schickst du Begegnete dem großen Bären böse Träume?“
    Kar sah ernst in das Gesicht des Jungen.
    „Wird der Mächtige Bär sehr zornig auf sie sein? - Muß sie sterben?“
    „Nein“, antwortete Kar. „Der Bär wohnt nicht in mir!“
    Entgeistert starrten die Zwillinge Kar mit offenen Mündern an.
    „In mir wohnt der Wolf! Ebenso wie in euch! - Niemals wird ein Bär in mir wohnen. Die Wölfe sind unsere Ahnen; eure Ahnen, die eurer Mutter, Leinockas und meine.“
    „Aber das ist nicht wahr! Immer haben alle gesagt, daß du eine Tochter des Mächtigen Bären bist – dein Haar ist so schwarz wie die Krahs, die auf unseren Hütten sitzen.“
    „Schwarzes Haar; pah! Ich könnte eure roten Haare schwarz machen!“
    „Du kannst Haare schwarz machen?“
    „Tochter des Bären hat mich viel gelehrt.“
    Staunende Blicke hafteten auf Kar.
    „Ich kenne viele Geheimnisse - und ich werde sie euch verraten. Ich werde euch von unserem Stamm erzählen, den ihr nicht kennt.“
    Die Zwillinge sahen Kar an, als ob eine Fremde vor ihnen stünde.
    „Alle sind sie tot! Aber die Seelen nehmen wieder Gestalt an, wenn sie ins Tal der Ahnen gelangen. Sie sind Geister, deren Gestalt für die Lebenden unsichtbar bleibt. Aber ich kann sie sehen! Manchmal zeigen sie sich und sprechen zu mir! - Im Tal unserer Ahnen leben unsere Vorfahren, alle gemeinsam. Sie wachen über die Lebenden, sitzen an ihren Feuern und erzählen sich Geschichten. Nur als Wölfe können sie in diese Welt zurückkehren. Deshalb fürchtet die Wölfe nicht! Sie sind bei euch, um euch zu beschützen. In dieser Welt sind wir die Letzten unseres Stammes und durch euch wird er weiterleben! In euch steckt ein Wolf! Eure Mutter weiß es ebenso wie ich!“
    Kar sah in die wässrigen Augen der Zwillinge. Dann umarmte sie die beiden fest und sagte: „Eines Tages werdet ihr sehr stark sein und euren Stamm beschützen. Die Ahnen werden stolz auf euch sein!“
    Daraufhin ging Kar hinaus; zum ersten Mal seit der Mondfinsternis, die sie lediglich wie in einem Rausch, fiebergeplagt, fast beiläufig, erlebt hatte. Drei Tage waren seitdem vergangen.
    Die Augen aller waren auf sie gerichtet. - Die Streiterei zwischen Maramir und Begegnete dem großen Bären war in wortloses Mißtrauen und schwelenden Groll übergegangen. Unmut lag spürbar in der Luft, jeder schien den Streit mitbekommen zu haben. Kar konnte die Zweifel in den Gedanken der Anwesenden spüren. In dem Moment wußte sie, daß sie an Macht und Ansehen verloren hatte. Schleichender Argwohn drohte in Wut und Feindseligkeit umzuschlagen. Niemand sagte ein Wort; diejenigen, die sie fürchteten, wagten es nicht zu sprechen; diejenigen, die allmählich die Furcht vor ihr verloren hatten, waren noch nicht bereit, ihr achtlos entgegenzutreten; und diejenigen, die es besser wußten, schwiegen, um sich selbst und andere zu schützen. - Auch Kar schwieg; eindringlich musterte sie lediglich einige von ihnen, drehte sich schließlich um und kehrte wortlos in ihre Hütte zurück, wo sie den Rest des Tages still und allein verbrachte. Sie rief weder die Mächte an und bat diese um Schutz noch befragte sie die Ahnen, was zu tun sei; sie konnte es nicht. Stattdessen wartete sie. So viele Fragen - aber niemand kam zu ihr ...
     
    Im Schutz der Dunkelheit schlich Kar sich davon. Leise und geschickt stahl sie sich aus dem Lager. Schon bald, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatte, kroch ihr schleichend ein Angstschauer über den Nacken und sie sehnte sich nach dem Schutz des Stammes. Sie fürchtete die Dunkelheit und die Geräusche der Nacht. Sie flehte die Ahnen an, ihr beizustehen, denn sie konnte nicht wieder zurück ... Sie mußte es tun. Sie allein trug die Schuld, an allem, was geschehen war. Sie

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