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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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zusammentrafen. Noch bevor Kar das Wort ergreifen konnte, griff Scharfe Zunge sie lautstark an: „Ein böser Geist ihres Volkes wird aus ihrem Mund sprechen, um uns zu täuschen. Ich kann den Gestank ihrer List riechen wie faules Fleisch. Niemals würde der Mächtige Bär zu einem Plattgesicht sprechen. Sie beleidigt uns! Sie bringt Schande über den ganzen Stamm! - Schwarzhaar fürchtet meinen Zorn, jetzt, da Tochter des Bären tot ist. Der Mächtige Bär ist erzürnt. Ich sage: Sie muß sterben oder sich einem Mann unterwerfen und dem Stamm Kinder gebären, denn sie hat den Zorn der Geister geweckt!“
    Fordernd hielt der Alte ihr seine geballte Faust entgegen und setzte einen Schritt vor, worauf Bärenpranke mahnend seine Keule auf ihn richtete und damit einen offenen Kampf androhte. In dem Moment trat Schwarzlocke vor. Er wirkte gefährlich gelassen.
    „Ein Zweikampf soll entscheiden!“ erklang seine Forderung.
    „Aber nicht du, Bärenpranke“, sagte Scharfe Zunge laut, „sollst kämpfen! Die Frau der Plattgesichter, die nicht mit der Stimme des Bären, sondern mit ihrer eigenen falschen Stimme spricht, ist nicht deine Frau. Sie, die den großen, alten Bären fürchtet, schläft in der Hütte deines Sohnes. Er soll die Herausforderung annehmen! Dann werden wir sehen, welcher Bär siegen wird, - der große alte oder die Bärin mit ihren Jungen.“
    Viele der Umstehenden stimmten seinen Worten zu und forderten ebenfalls diesen Kampf. Aber noch bevor Schneller Läufer vortreten und die Herausforderung in angestauter Wut annehmen konnte, versperrte Kar ihm den Weg und begann laut und hämisch zu lachen.
    „Du willst, daß die Lebenden diesen Kampf entscheiden. Die Bären aber wollen selbst entscheiden. Warum sonst haben sie mir einen Krah, den Vogel der Toten geschickt? - Er kam direkt aus dem Land der Verstorbenen in meine Hände geflogen, damit ich ihn hierher bringe. Seht her, denn er lebt!“
    Kar griff in einen ledernen Beutel und holte den Raben hervor, der sich ihren Händen widerstandslos ergab.
    „Mit dir, Scharfe Zunge, ist der Geist des alten großen Bären. - Ich spüre den Geist der Bärin. - Laßt die Geister bestimmen, wer von uns beiden sterben wird! Wir sollen das Blut des Krahs trinken und beide werden wir von seinem Fleisch essen! - Bis das Große Himmelsfeuer erneut aufsteigt, wird einer von uns tot sein!“
    Kar setzte den Raben vor sich auf den Boden. Mit einigen schwachen Flügelschlägen hüpfte der Vogel umher. Der Rabe wehrte sich auch nicht, als andere ihn berührten und in die Hände nahmen. Staunend konnte jeder bezeugen, daß weder seine Flügel gebrochen waren, noch daß er sonst eine Verletzung hatte.
    „Ich bin eine Medizinfrau, meine Haare sind so schwarz wie die Krahs – und ich bin die Ziehtochter von Tochter des Bären. Meine Schwester gebar zwei Jungen, die gleich alt sind und gleich aussehen wie die Jungen der großen Bärin. Die Augen meiner Schwester haben die selbe Farbe wie das Auge des Mächtigen Bären. Das sind die Zeichen! Meine Worte sind der Wille des Mächtigen Bären. Fordert nicht seinen Zorn heraus! Der Mächtige Bär kann nicht durch mich sprechen, weil ich ein Plattgesicht bin. Und Werferin ist noch zu jung! - Wenn du einen Zweikampf willst, Scharfe Zunge, so sollst du ihn haben!“
    Die Meinungen gingen nun auseinander, einige begannen zu diskutieren, andere verhielten sich nachdenklich und still. Deutlich war zu spüren, daß Kar Zweifel geweckt hatte – und man wartete gespannt auf die Antwort von Scharfe Zunge.
    „Hört mich an!“ Die Stimme des Alten klang fest und entschlossen.
    „Es wird nichts geschehen! Denn das Fleisch des Krahs wird weder den Bären noch die Bärin töten. Wir werden beide noch leben, wenn der Morgen anbricht. Deshalb sage ich: Die jungen Männer sollen im Kampf entscheiden. Jetzt!“
    „Sollten wir beide leben, Scharfe Zunge, Beschützer des großen Bären, dann kannst du mich töten und auch die Bärin! Oder hast du Angst vor mir?“
    Mit einem Griff an die Schulter hielt Scharfe Zunge seinen Sohn zurück, dabei überzog ein schadenfrohes Grinsen sein Gesicht. - Siegessicher willigte er ein.
    Maramir ergriff Kars Hand.
    „Was tust du? - Du wirst den Kampf verlieren! Die Ahnen sind zu schwach, sie können dir nicht helfen!“
    „Vertrau mir, Leikika!“
    „Ich werde nicht zusehen, wie Scharfe Zunge dich tötet!“
    Maramir schaute durch den wässrigen Schleier ihrer Augen in die fassungslosen Gesichter, die sie

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