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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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„Vielleicht war es weder ein Wolf noch ein Mähnenwolf ...“
    Jetzt stand Roter Wolf ebenfalls auf, blickte hinaus und sah Feuerhaar schließlich fragend an. Der aber drehte sich weg, setzte sich wieder und schenkte seinem Bruder lediglich einen mahnenden Blick.
    Sie kannten die Geschichten über die Toten. Manche nahmen die Gestalt von Tieren an und kehrten in die Welt der Lebenden zurück, um sich an ihnen zu rächen. Die Zwillinge hatten den Tod von Schwarzlocke und Scharfe Zunge nicht vergessen ...
     
    Die Zeit verging. Sie warteten. Aber Kar kam nicht.
    Als die Dämmerung einsetzte, brach das Geheul der Wölfe wieder los. Dieses Mal klang es wie eine Warnung. Und mit der zunehmenden Dunkelheit beschlich die beiden Furcht. Scharfe Zunge war ein mächtiger Mann gewesen. Sie fürchteten die Vorstellung, daß er da draußen sein könnte und wartete, bis sie schliefen. Vielleicht brachte diese Nacht ihren Tod - womöglich würden sie sterben, durch die Reißzähne einer Kreatur aus dem Totenreich.
    Dieses Mal nutzten sie lediglich den Anfang des schmalen Ganges, um sich vor Wind und Kälte zu schützen. Sie wollten die Geräusche, die von draußen kamen, hören und vorbereitet sein, wenn sich jemand dem Eingang nähern sollte.
    Wieder, schlimmer als die Nacht davor, kam die Kälte unter ihr Fell gekrochen und sie froren ...
     
     
    Roter Wolf schreckte auf. Sofort war der unheilvolle, wirre Traum verblasst, den er zuvor geträumt hatte. In der Dunkelheit glaubte er einen fremdartigen Umriß zu erkennen. Völlig reglos stand breitbeinig und hochgewachsen jemand vor ihm. Anstelle von Händen glaubte er gewaltige Klauen zu erkennen. Die menschliche Gestalt schien den Kopf eines Wolfes, mit langen Reißzähnen und hervorstehenden, übergroßen Augen zu haben. Der Anblick jagte ihm solche Angst ein, daß er nicht einmal daran zu denken wagte, seinen Dolch zu ergreifen ... Plötzlich spürte er eine Hand auf der Schulter.
    „Was ist?“ Feuerhaars Stimme klang besorgt.
    Als Roter Wolf sich sofort wieder nach der unheimlichen Gestalt umsah, war sie verschwunden. Aber die Angst, die ihm die Kehle zuschnürte, blieb. Feuerhaar starrte in den kaum erkennbaren Vorraum und erwartete jeden Moment, etwas Furchtbares zu entdecken. Die Angst seines Bruders war offensichtlich. - Doch er konnte niemanden sehen. Alles war still. Plötzlich schlug ihm Roter Wolf gegen den Arm, „Totengeist! - Scharfe Zunge!“ zischte er. Sofort zog Feuerhaar seinen Dolch und prüfte erneut die Dunkelheit ... Niemand außer ihnen selbst schien hier zu sein. Bis auf den schnellen Atem seines Bruders hörte er nichts; nicht ein einziges verräterisches Geräusch. Er würde es spüren, wenn noch jemand hier wäre. Dennoch wagte er es nicht, seinen Platz zu verlassen ...
    Erst als draußen der Morgen graute, bemerkte Feuerhaar, daß er doch eingeschlafen war. Er spürte, daß der Rücken seines Bruders auf ihm lastete. Also richtete er seinen Oberkörper auf und schob seine Schultern zurück. In dem Moment erwachte Roter Wolf und zog das Wisentfell enger an sich. Feuerhaar erinnerte sich daran, daß er, irgendwann, während sie so dasaßen, Rücken an Rücken, in die Finsternis starrend und auf das leiseste Geräusch achtend, für einen kurzen Moment die Augen schloß.
    Noch immer versperrten Äste und Zweige den Eingang. Kein lebendes Wesen hatte in dieser Nacht die Höhle betreten.
    Hinter sich spürte er die Bewegungen seines Bruders.
    „Vielleicht war es nur ein Traum?“ gab Feuerhaar zu bedenken.
    Aber Roter Wolf kam nahe an ihn heran und flüsterte: „Halb Mensch – halb Wolf und so groß, daß selbst der große Bär ihn fürchten würde. Seine Zähne waren so lang wie unsere Dolche. Ich habe es gesehen! - Und im Traum ist er mir wieder erschienen! - Tartruh, Kar hat uns von ihm erzählt! Der Urahn unserer Ahnen; stand vor uns und hat mich angesehen! Ein Sohn der Mutter Wölfin! Er könnte eine ausgewachsene Mähnenkatze zerreißen mit seinen Zähnen und Klauen!“
    Feuerhaar spürte nun ebenfalls die Anwesenheit des Wolfsmannes ... ganz deutlich ...
    An jenem Tag durchlebten sie sonderbare Tagträume. Es fiel ihnen immer schwerer Wirklichkeit und Phantasie voneinander zu trennen. Hunger und Durst weckten eine heiße Gier nach frischem Fleisch.
     
     
    Schroff riß Werferin das Geflecht aus Ästen und Zweigen beiseite. Doch dann zögerte sie, den Raum zu betreten, als sie ihre Brüder erblickte. Ein beunruhigendes Gefühl mahnte sie zur

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