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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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Vorsicht – und sie ließ Kar vorangehen.
    Schweigend bewegte sich Kar langsam auf die beiden zu. Dann setzte sie sich ruhig auf den Boden und begegnete ihrem Blick. Werferin sah, daß mit den Dreien etwas geschah, dem sie selbst nicht folgen konnte. Angespannt wartete sie darauf, daß jemand das Schweigen brach - und horchte neugierig auf, als Kar endlich die Stimme erhob.
    „Das Große Himmelsfeuer ist voll erwacht und voller Kraft. Nur für kurze Zeit teilt es sich in die vielen, kleinen Lebensfeuer auf und weicht dem Kleinen Himmelsfeuer. Es ist Zeit für das Fest zu Ehren der Großen Mutter. Auch das Kleine Himmelsfeuer ist beinahe voll erwacht. - Bringt mir ein Vielhorn, damit wir am Fest von seinem Fleisch essen können! Den Kopf mit dem heranwachsenden Gehörn werden wir dem Feuer übergeben, zum Zeichen der Erneuerung und wachsender Kraft. Es sollen eure Erneuerung und wachsende Kraft sein, die euch zu Jägern machen!“
    Kar erhob sich langsam und gab Werferin ein Zeichen, ihr zu folgen. Gemeinsam brachten sie einige Dinge in die Höhle: Die Lanzen, Speere und Schleudersteine der Zwillinge, den mitgebrachten Tiermagen, gefüllt mit dem Wasser der Quelle, Beeren, Wurzeln und getrocknetes Fleisch. Obwohl Feuerhaar und Roter Wolf hungrig und durstig sein mussten, würdigten sie ihr Handeln nur mit einem flüchtigen Blick. - Kar schichtete Zweige auf, die Werferin hereinbrachte. Daraufhin holte sie ein grob gespaltenes Stück Holz aus einem Beutel, rieb in dessen aufgerauhte Senke etwas Mehl von ihrem Feuerschwamm und übergab Werferin Feuersteine. Mit geübter Schnelligkeit schlug Werferin die Steine aneinander; Funken schossen auf den Zunder – zart stieg Rauch auf. Vorsichtig blies sie den glimmenden Zunder an und bedeckte ihn, unter weiterem blasen, mit einem trockenen Büschel feinen Grases – eine kleine Flamme loderte auf. Sie legte kleine Fetzen dünner Birkenhaut auf, und Kar brannte die eingekerbten Zündhölzer an, die sie, vor Feuchtigkeit geschützt, ebenfalls in einem ledernen Beutel bei sich hatte. Damit setzte sie den Stapel Zweige in Brand. Anschließend sammelten sie draußen Brennholz, trugen es in die Höhle und legten ständig nach, um ein kleines Feuer in Gang zu halten. - Schweigend schürten sie die Glut, in der Kar ununterbrochen die Spitze ihres geschäfteten Messers erhitzte ... bis die fein gearbeitete Steinklinge heiß genug war.
    Kar half den Zwillingen, sich zu entkleiden.
    Sie streifte die herabhängenden roten Haare von Roter Wolfs Schultern, nahm das Messer aus der Glut und hielt es ihm vors Gesicht. Seine Augen weiteten sich und sein Blick war starr, während er den Oberkörper streckte und die Muskeln anspannte. - Seine Adern an Hals und Armen traten hervor, während er seine Hände fest zu Fäusten ballte, als Kar ihm die heiße Spitze an den Oberarm setzte. Aber er gab nicht einen einzigen Laut von sich.
     
    Das Große Himmelsfeuer berührte schon fast den Horizont, als Roter Wolf und Feuerhaar die Höhle verließen. Es war so hell, daß sie die Augen zukneifen mußten. Sie atmeten tief und genossen die letzte Wärme des Tages. Die Zwillinge wußten nun, wer sie waren und worin ihre Bestimmung lag. Sie kannten jetzt ihren Platz in dieser Welt, im Leben und im Tod. - Über ihren Köpfen trübte nicht eine einzige Wolke das einheitliche dunkle Blau des Himmels. Das fahle Licht des Mondes, inmitten des wolkenlosen Himmels, zeichnete einen fast vollen Kreis und versprach eine helle Nacht.
    Mit dem Wasser der Quelle kühlten sie ihre Brandwunden. Anschließend wuschen sie sich und schwärzten ihren Körper mit Ruß. Sie legten Fellüberwürfe an und banden sich die Schleudersteine um die Hüften. Voller Stolz trugen sie das frische Brandmal: die Andeutung der Seitenansicht eines Wolfskopfes.
    Ein letztes Mal begegneten sie Kars und Werferins Blick, die ihnen bis zur Quelle gefolgt waren und sie aus einiger Entfernung ununterbrochen beobachteten. Feuerhaar und Roter Wolf ergriffen Lanze und Speer. Das Einzige, was sie in diesem Augenblick fühlten, war die Nähe der Ahnen, mit denen sie in Gedanken während dieser Nacht untrennbar vereint sein würden. Ohne ein Wort des Abschieds tauchten sie ein ins hohe Gras des Flußufers.
    Ihre Sinne waren scharf und ihr Geist klar, als sie Hindernisse, wie Wölfe, im schnellen Lauf nahmen. Sie trugen die Schnelligkeit, den Mut und die Stärke ihres Urahnen in sich. Sie spürten sein Blut in ihren Adern pulsieren, während sie liefen wie

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