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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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Riesen war nichts zu sehen. - Eine merkwürdige Unruhe suchte ihn heim ...
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    Schneller Läufer schien sich von seiner Verwundung zu erholen. Unterdessen leitete Werferin an Kars Stelle die Rituale. Feuerhaar durchstreifte mit Bärenpranke, Braunhaut und Roter Wolf ein weiteres Mal vergeblich die Umgebung des Hügels, an dessen Fuß sie gekämpft hatten, auf der Suche nach den geheimnisvollen Fremden. Indes machte der zweite Spähtrupp eine große Herde Rentiere aus. Die Mächte schienen ihnen wohlwollend zugewandt zu sein ... Bis sich Schneller Läufers Zustand verschlechterte. Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen setzten ihm zu. Die übliche Medizin zeigte keine Wirkung. Also rief Werferin den Mächtigen Bären inständig um Beistand an, während Kar Schneller Läufers Bauch und Stirn mit welken, zuvor in eine Mischung aus Kräutersud und Blut getränkten Büscheln gebundener Grashalme bestrich. Mit lauter Stimme baten sie dann gemeinsam die unterschiedlichen Mächte um lebensspendende Kräfte und schlugen den Kranken mit den Grasbündeln auf Kopf und Bauch, um das Übel aus jenen Körperteilen zu vertreiben. Beharrlich vertrieb man die Krähen sobald man welche sah; für sie sollte es nichts zu holen geben. Schneller Läufers Seele durfte sich der Macht des Todes nicht beugen und mußte dem Locken widerstehen, das seinem kranken Körper Erlösung versprach ... Roter Wolf und Feuerhaar sahen die stark geröteten, trüben Augen und die dunklen Ränder darunter in Schneller Läufers eingefallenem, bleichem Gesicht und es kam ihnen so vor, als blickten sie in die Gesichter der Riesen, kurz bevor es zum Kampf gekommen war. Der Gedanke, daß die Fremden ihm diese Krankheit geschickt hatten; daß ihre verstorbenen Seelen die Macht besaßen, auf diese Weise Rache zu nehmen; daß ihre Vergeltung alle diejenigen heimsuchen könnte, die einen Teil der Fremden verspeist hatten und jetzt in sich trugen, ließ die beiden nicht mehr los.
     
    Schneller Läufers Zustand verschlechterte sich zusehends. Sein Nacken wurde steif, er konnte seinen Kopf kaum noch bewegen. Am selben Abend noch betteten sie seinen geschwächten Körper nackt zwischen zwei Feuer. Kar und Werferin rieben seinen Körper solange mit Schnee ein, bis er anfing zu zucken. Dann saugten sie mit kleinen Röhrchen aus Vogelknochen an seiner Haut von Kopf und Oberkörper und spuckten jedesmal rasch in eine hölzerne Schale. Die Handlung vollzogen sie so oft hintereinander, bis sie glaubten, das Gift der Krankheit aus ihm herausgesaugt zu haben. Klagend flehten die Heilerinnen verschiedene Mächte an und baten darum, auf die Seele des Kranken noch zu verzichten. Gemeinsam riefen sie den Mächtigen Bären zu Hilfe, damit er für sie gegen die mißgünstige Macht stritt, die Schneller Läufers Leben forderte. Im Gegenzug boten sie ihm als Opfer Fleisch ihres Körpers an. - Laut und schnell riefen Trommeln. Jäh peitschten Schreie durch die Höhle, als Kar Werferin kleine Stücke Haut aus dem Rücken schnitt und diese in eine hölzerne Schale gab. Dasselbe tat Kar mit Bärenpranke, und auch sein Fleisch gab sie in die hölzerne Schale, - doch Urvater Bär blieb stumm und unsichtbar ... schließlich blutete Schneller Läufer aus der Haut. Noch während der Zeremonie erschlaffte sein Körper und bald darauf atmete er auch nicht mehr. - Schleichend war der Tod zu ihm gekommen und keine Macht hatte ihn aufgehalten.
    Ratlos und verängstigt starrten die Umstehenden den Leichnam, Kar und Werferin, die Tochter des Bären, an. Beschämt senkte sie ihren Blick. Schneller Läufer war einen Tod ohne Ehre gestorben. Hilflos hatten sie mit ansehen müssen, daß der Tod wie ein böser Geist durch seinen Körper gekrochen war.
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    Unerbittlich griff die geisterhafte, böse Kraft um sich. Innerhalb eines Mondes raffte sie über ein Drittel der Stammesangehörigen hin. Zuerst starben Neugeborene und Kinder ... dann traf es die Erwachsenen, sowie ihren Ältesten, Scharfe Schneide, auch ihn holte der Schleichende Tod.
    Die Trommeln blieben stumm, niemand tanzte und opferte den Mächten. Niemand aß von den Leichen, keiner geleitete die Verstorbenen angemessen ins Reich der Toten. Sie legten die leblosen Körper lediglich nach draußen, wo Schnee und Eis sie alsbald überdeckten. Der schleichende Tod wurde ihr stummer Begleiter. Ununterbrochen roch man seine Gegenwart. Hinzu kamen, nachdem die Vorräte aufgebraucht waren, alsbald Hunger und die große Kälte; die Welt erstarrte

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