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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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unter ihrem eisigen Griff.
    In jenen Tagen des Verderbens vertrieben sie Löwen und Hyänen von ihrer Beute, trotzten jedem Gegner aus Fleisch und Blut; doch die böse Macht, die in Werferin wohnte, fürchteten die Spitzgesichter über alles. Sie mieden ihre Nähe. Kaum einer wagte es sie anzusehen und man gab ihr einen neuen Namen: Böser Blick. Ein mächtiger Geist mußte in sie gefahren sein. Ein Totengeist, der sie durch Werferins Augen angestarrt hatte und jeden erkranken oder sterben ließ, der zu genau hingesehen hatte. Vielleicht war es der Geist von Scharfe Zunge oder von Spricht die Sprache der Tiere, dessen Tod ungesühnt geblieben war. Es konnte der Geist von Tochter des Bären oder aber des alten Bären selbst sein, der ihnen zürnte. Welche Macht es letztendlich auch sein mochte, sie bescherte Leid und Zerstörung.
    Die Kluft zwischen den Familien wurde mit jedem Tag größer. Als auch Kar, die mit ihrer Medizin immer wieder versucht hatte, dem Siechtum entgegenzuwirken, von der Krankheit heimgesucht wurde, wuchs Mißgunst und Zorn. Kar, die zwar nicht an der Krankheit starb, besaß weder die Kraft noch die Macht, jenen bösen Geist vertreiben zu können, der gierig über den Stamm herfiel. Der Mächtige Bär zürnte ihnen, ließ jene bösartige Macht gewähren, die ihnen den Schleichenden Tod brachte. Ausschließlich die Furcht hinderte die Spitzgesichter daran, Werferin zu töten. Weder Bärenpranke, noch die Mitglieder seiner Sippe, die ihr Schutz boten, vermochten es, die anderen einzuschüchtern. Nicht die Wehrhaftigkeit ihrer Gemeinschaft verhinderte die Bluttat und trieb ihnen die Angst bis ins Mark, sondern die bloße Vorstellung, jenem grauenverheißenden Blick noch einmal ausgesetzt zu sein.
    Bärenpranke glaubte nicht daran, daß Werferin von einem bösen Geist beseelt war ... Zusammen mit seinen Söhnen hatte er gegen die fremden Plattgesichter gekämpft. Er selbst hatte ihn gesehen, den Tod, der ihm aus den Augen der Riesen entgegengeblickt hatte. Ebenso konnte er ihn jetzt in den Augen der Kranken und Sterbenden sehen. Ohne Zweifel hatte sich eine böse Macht in ihre Körper geschlichen und brachte Krankheit und Verderben. Aber Bärenpranke war klug genug, um zu erkennen, daß diese böse Macht mit den Fremden ins Lager gekommen war. Also holte er die Schädel aus den Felsnischen und verbrannte sie, um weiteres Unheil zu verhindern ... Doch seine Worte und Taten verloren sich in der riesigen Kluft unterschiedlicher Ansichten. - Die Gemeinschaft des Stammes zerbrach, und jeder, der versucht hatte zu schlichten, mußte mitansehen, wie es unaufhaltsam dennoch geschah. Haß entwickelte sich, die Spannung wurde unerträglich; und um einen blutigen Kampf zu vermeiden, verließ Bärenprankes Sippe den Stamm ... Und Kar führte sie entlang des großen Stromes, in Richtung des schlafenden, Großen Himmelsfeuers ...
     
     
       

 
    10. Kapitel
     
    Seit Tagen jagte ein eiskalter, nicht enden wollender Sturm über das Land. Erneut wich der Tag einer langen Nacht. Kar saß, eingehüllt in das Bärenfell, das vor langer Zeit einmal ihrer Mutter gehört hatte, auf dem lehmigen Boden einer Höhle, die sie zwei Tage zuvor, zum ersten Mal nach langer Zeit, wieder aufgesucht hatten. Jeder Winkel im Inneren roch nach Hyänen. Immer wieder blies eine so starke Bö hinein, daß die spärlichen Flammen des Feuers erloschen und Rauch aufstieg, der in den Augen brannte, bevor der Wind die Flammen wieder entfachte. Kars Hände waren kalt. Sie hätte die Hände, um sie zu wärmen, an ihren Körper unter das Fell nehmen, oder über die Glut halten können; aber ihre Finger glitten immer wieder über die eingeschnitzten Kerben im Hakenstock der fremden Riesen. Sie zweifelte nicht daran, daß ein starker Zauber in diesem bearbeiteten Stück Horn wohnte. Es gab kurze und lange Kerben, manche waren quer, andere längs angeordnet und einige kreuzten sich. - Als das Feuer wieder einmal verdächtig flackerte, blickte sie auf. Maramir, die sich mit Leinocka und Bärenpranke ein Fell teilte, sah sie auf sonderbare Weise an. Auch Roter Wolf und Feuerhaar, die sich eng an Singender Vogel und Tanzt Viel schmiegten, schienen sie schon eine Zeit lang dabei beobachtet zu haben, wie sie den Hakenstock der Riesen eingehend betrachtete. Und während Kar in ihre Gesichter blickte, ergriff sie aus unerfindlichen Gründen ihren Stab, einen frischen, noch grünen armdicken Ast, den sie benutzte, um sich beim Gehen zu stützen.

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