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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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bis irgendwann, von Tag zu Tag mehr, die Spuren des Winters verschwanden.
    Der Morgennebel hatte sich gelichtet, nur vereinzelt hingen noch dünne Schwaden über der Erde, während der Himmel bereits aufklarte. Außer den sonnenabgewandten Hängen der Hügel und Talsenken war das Land mittlerweile frei von Eis und Schnee. Der aufgeweichte Boden war meist schlammig und morastig, das Gehen strengte an und die Gruppe kam nur mühsam voran. Vor ihnen lagen die weißbedeckten Kuppen und Gipfel des Bergwaldes. Hinter ihnen lag das Hügelland und jene Höhle, in der sie so viele Tage und Nächte zugebracht hatten. Dort überstanden sie die größte Kälte und die rauhen Winterstürme; im Leib von Mutter Erde war Singender Vogel gestorben, gebar Leinocka unter großen Schmerzen einen Sohn, und Kar ihre Tochter - fast ebenso leise und schnell, wie eine Wölfin ihre Jungen zur Welt bringt. Tod und Leben hatten im Schoß der Großen Mutter, im Schein des Feuers, die selbe Luft geatmet. - Nun atmete der Stamm bald die Luft eines Landes, das nur Maramir, Kar und Leinocka aus längst vergangenen Tagen kannten. Der kleine, ziehende Stamm war kurz davor, das Tal der Zweischwänze zu verlassen und in das Bergland einzutauchen.
    „Seht!“, rief Feuerhaar, der allen vorausging. „Eine Grube!“
    Die anderen kamen herbeigelaufen und betrachteten das Loch im Boden. Werferin stocherte mit ihrer Lanze im Schnee, der sich in der Vertiefung gehalten hatte.
    „Vielleicht wohnt ein böser Geist in diesem Loch!“ ,mahnte Tanzt Viel.
    „Tanzt Viel hat recht! Es ist ein fremdes Land. Vielleicht wohnen böse Geister hier in solchen Löchern!“, gab Adlerkralle ängstlich zu bedenken.
    „Es ist eine Grube“, entgegnete Bärenpranke ruhig und reichte Werferin seine Hand, die gerade dazu ansetzte hineinzusteigen. Als sie unten war, begann sie zu graben. Zuerst legte sie die Schädeldecke und dann das Schultergerippe eines Mammuts frei.
    „Der tote Zweischwanz liegt schon länger als eine Kaltzeit hier“, stellte sie fest und Bärenpranke wies sie an, dennoch tiefer zu graben. Nun stiegen auch Braunhaut und die Zwillinge in die Grube und begannen im Schnee zu scharren.
    „Da!“, stieß Feuerhaar hervor. „Ein toter Mähnenwolf.“
    „Hier auch!“, rief Braunhaut. „Fell und Knochen von einer Hyäne.“
    Bärenpranke dachte nach. - Es war ein großes, tiefes Loch. So groß, daß der Zweischwanz sicher noch viel Platz gehabt hatte, um sich zu wehren. Er selbst hätte die Fallgrube enger und nicht so tief gemacht. Diese Jäger konnten nicht sehr erfahren sein!
    Er sah, wie Roter Wolf einen kleinen Gegenstand mit den Fingern abrieb, um ihn anschließend genauestens zu betrachten. Dann reichte er seinen Fund hoch und gab ihn an Bärenpranke weiter. „Sie machen scharfe Klingen“, fügte er hinzu.
    Bärenpranke hielt das fein gearbeitete Werkzeug, das Roter Wolf gefunden hatte, in seinen Händen und betrachtete es.
    „Seht her!“, forderte Feuerhaar und legte mit seinen Händen einen zugespitzten Pflock frei, der dicker als sein Arm war.
    „Hier sind noch mehr! Sie stecken im Boden“, rief Werferin staunend. „Der Zweischwanz ist in die Falle gegangen und in die dicken Lanzen gestürzt!“, stellte sie voller Bewunderung fest.
    „Die Jäger brauchten nur zu warten - und konnten sich kampflos alles nehmen“, sagte Roter Wolf nachdenklich. „Die fremden Jäger sind schlau“, schloß er mit ernster Miene.
    Bärenprankes Blick verdunkelte sich und er fragte sich, wer diese Menschen wohl waren ...
    -
     
    Nach zwei Tagen anstrengender Wanderschaft durch Täler und Schluchten schlug Kar einen steilen Pfad ins Gebirge ein. Es lag lange zurück, aber sie und auch Maramir erinnerten sich dunkel an diesen Weg. Viele Male waren Kar und Maramir mit ihrem Stamm bei Beginn der Kaltzeit durch den Bergwald gezogen, hinunter zu den großen Herden in die Ebene – und zum Ende der Kaltzeit wieder hinauf, in das Heimatland der Ahnen. Immer klarer wurden die Erinnerungen, so daß die Zweifel allmählich erloschen, die Kar auf ihrem bisherigen Weg durch den Bergwald geplagt hatten; kaum ein Tag war seither vergangen, an dem sie nicht die Ahnen angerufen und um Beistand dafür gebeten hatte, sie auf den richtigen Pfad zu führen.
    Die schroffen Berghänge wurden kahler und felsiger, je höher sie stiegen. Der Schein des Großen Himmelsfeuers wärmte ihre Glieder und ein sanfter Wind kühlte ihre schweißbenetzten Gesichter. Kar erinnerte sich gut an

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