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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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oder Aufregung an den Tag zu legen, obwohl von ihr kaum jemand angemessenes Verhalten erwartete.
    An jenem Morgen gab es aber keine jungen Leute in Loc Grim. Junge Leute hatten in Loc Grim nichts zu suchen. Den riesigen Thronsaal füllten ernste und strenge Aristokraten, Ritter und Höflinge, allesamt in zeremonielles Hofschwarz gekleidet, das nur vom Weiß der Halskrausen und Manschetten belebt wurde. In Gesellschaft der Männer befanden sich wenige, aber ebenso ernste und strenge Damen, denen der Brauch erlaubte, das Schwarz der Kleidung mit ein wenig bescheidener Bijouterie aufzulockern. Alle taten würdevoll, ernst und streng. Doch sie waren ungeheuer aufgeregt.
    »Man sagt, sie sei hässlich. Mager und hässlich.«
    »Aber es scheint königliches Blut zu sein.«
    »Aus einer illegitimen Verbindung?«
    »Keineswegs. Aus einer rechtmäßigen.«
    »Sie wird also den Thron besteigen?«
    »Wenn der Imperator es so entscheidet  ...«
    »Potz Blitz, schaut nur Ardala aep Dahy und den Fürsten de Wette an  ... Die ziehen vielleicht Gesichter  ... Als hätten sie Essig getrunken  ...«
    »Still, Graf  ... Du wunderst dich über ihre Mienen? Wenn die Gerüchte sich bewahrheiten, wird Emhyr den alten Geschlechtern eine Ohrfeige verpassen. Wird sie zur Räson bringen  ...«
    »Die Gerüchte werden sich nicht bestätigen. Der Imperator wird sich nicht mit diesem Findelkind verloben! Das kann er nicht machen  ...«
    »Emhyr kann alles. Achtet auf Eure Worte, Baron. Überlegt Euch, was Ihr sagt. Es haben schon andere behauptet, Emhyr könne dies oder jenes nicht. Sie sind auf dem Schafott geendet.«
    »Es heißt, er habe schon das Dekret über ihre Bezüge unterzeichnet. Dreihundert Mark Leibrente, könnt Ihr Euch das vorstellen?«
    »Und den Titel einer Prinzessin. Hat jemand von euch sie schon gesehen?«
    »Sie ist sofort nach der Ankunft in die Obhut der Gräfin Liddertal übergeben und das Haus von der Garde umstellt worden.«
    »Man hat sie der Gräfin anvertraut, damit die der Rotznase ein paar Vorstellungen von Manieren beibringt. Es heißt, diese eure Prinzessin benimmt sich wie eine Viehmagd  ...«
    »Was ist daran verwunderlich? Sie stammt aus dem Norden, aus dem barbarischen Cintra  ...«
    »Umso unwahrscheinlicher sind die Gerüchte von Emhyrs Vermählung. Nein, nein, das ist absolut ausgeschlossen. Der Imperator wird die jüngste Tochter von de Wette zur Frau nehmen, so wie geplant. Er wird sich nicht mit dieser Usurpatorin verloben!«
    »Höchste Zeit, dass er sich endlich mit jemandem verlobt. Im Hinblick auf die Dynastie  ... Höchste Zeit, dass wir einen kleinen Erzfürsten bekommen  ...«
    »Soll er also heiraten, aber nicht diese Dahergelaufene!«
    »Still, ohne Exaltation. Ich versichere Euch, edle Herren, dass es nicht zu dieser Verbindung kommen wird. Welchem Zweck sollte solch eine Heirat dienen?«
    »Das ist Politik, Gräfin. Wir führen einen Krieg. Diese Verbindung hätte politische und strategische Bedeutung  ... Die Dynastie, aus der die Prinzessin stammt, besitzt legale Ansprüche und bestätigte Lehnsrechte auf die Länder an der Unteren Yarra. Wenn sie die Gemahlin des Imperators würde  ... Ha, das wäre ein perfekter Zug. Schaut nur dort, die Gesandten von König Esterad, wie sie flüstern  ...«
    »Ihr unterstützt also diese wunderliche Verbindung, mein Herr Fürst? Womöglich habt Ihr sie Emhyr selbst angeraten, was?«
    »Das ist meine Angelegenheit, Markgraf, was ich unterstütze und was nicht. Aber die Entscheidungen des Imperators in Frage zu stellen würde ich Euch nicht raten.«
    »Er hat also schon eine Entscheidung getroffen?«
    »Ich glaube kaum.«
    »Da irrt Ihr Euch also, wenn Ihr es nicht glaubt.«
    »Was wollt Ihr damit sagen, meine Dame?«
    »Emhyr hat die Baronin Tarnhann vom Hofe entfernt. Er hat ihr befohlen, zu ihrem Gatten zurückzukehren.«
    »Er hat mit Dervla Tryffin Broinne gebrochen? Unmöglich! Dervla ist seit drei Jahren seine Favoritin  ...«
    »Ich wiederhole, er hat sie vom Hofe entfernt  ...«
    »Das ist wahr. Die Goldhaarige Dervla soll einen schrecklichen Skandal gemacht haben. Vier Gardisten haben sie gewaltsam in die Kutsche gesetzt  ...«
    »Ihr Mann wird sich freuen  ...«
    »Das bezweifle ich.«
    »Bei der Großen Sonne! Emhyr hat mit Dervla gebrochen? Wegen dieser Dahergelaufenen? Wegen dieser Wilden aus dem Norden?«
    »Leiser  ... Leiser, zum Kuckuck  ...«
    »Wer steht dahinter? Welche Parteiung unterstützt

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