Die Zeit der Verachtung
abgrenzte.
Der Wind trug den Geruch von Rauch heran. Ciri bewegte die erstarrten Finger ihrer Hände, die mit einem Riemen am Sattelbogen festgebunden waren. Sie war ganz steif geworden, die Hinterbacken schmerzten unerträglich, der Druck in der Blase quälte sie. Sie saß seit Sonnenaufgang im Sattel. Nachts hatte sie sich nicht entleeren können, denn man hatte ihr befohlen zu schlafen, während ihre Hände an den Handgelenken der zu beiden Seiten liegenden Greifer festgebunden waren. Auf jede ihrer Bewegungen hatten die Greifer mit Flüchen reagiert und mit der Androhung von Schlägen.
»Eine Ansiedlung«, sagte einer.
»Seh ich«, erwiderte Flenner.
Sie ritten den Berg hinab, die Hufe raschelten im hohen, sonnenverbrannten Gras. Bald befanden sie sich auf einer zerfurchten Straße, die geradewegs zu dem Dorf führte, zu der Holzbrücke und dem Tor in der Palisade.
Flenner zügelte das Pferd, stellte sich in den Steigbügeln auf. »Was is’n das für’n Dorf? Ich war hier noch nie. Remiss, kennst du die Gegend?«
»Früher«, sagte Remiss, »hieß dieses Dorf Weißenbach. Aber als der Kuddelmuddel anfing, habm sich ein paar von den Hiesign den Aufständischn angeschlossn, da habm die Varnhagens es abgefackelt, die Leute niedergemacht oder in die Sklaverei getriebm. Jetzt lebm hier nur Nilfgaarder Siedler, Neuankömmlinge. Und das Dorf habm sie in Glyswen umbenannt. Diese Siedler sind üble, verbiesterte Leute. Ich sag euch: Wir solltn uns hier nicht aufhaltn. Sondern weiterreitn.«
»Die Pferde müssn sich ausruhn«, protestierte einer von den Greifern, »und gefüttert werdn. Und bei mir is im Bauche auch gähnende Leere. Neusiedler oder nicht, die könn’ uns mal. Wir wedeln ihn’ mit dem Befehl des Präfektn vor der Nase rum, der Präfekt is auch ’n Nilfgaarder genau wie die. Ihr werdet sehn, die machn ’nen Bückling.«
»Du«, knurrte Flenner, »hast mir grade Nilfgaarder gesehn, die ’nen Bückling machn. Remiss, gibt’s in diesm Glyswen denn ’ne Schenke?«
»Ja. Die Schenke habm die Varnhagens nicht abgebrannt.«
Flenner wandte sich im Sattel um, schaute Ciri an. »Die muss losgebundn werdn«, sagte er. »Das fehlte noch, dass jemand sie erkennt ... Gebt ihr ’nen Mantel. Und die Kapuze in die Stirn ... Heda? Wohin, Aschenbrödel?«
»Ich muss ins Gebüsch ...«
»Dir werd’ ich Gebüsch gebm, Nutte. Hock dich am Straßenrand hin! Und denk dran: im Dorf kein Sterbenswörtchen! Glaub nicht, dass du schlau bist! Wenn du dich nur muckst, schneid ich dir die Kehle durch. Wenn ich für dich keine Florins krieg, kriegt sie niemand.«
Sie ritten im Schritt, die Hufe der Pferde trommelten auf der Brücke. Hinter der Palisade hervor tauchten sofort die Gestalten von Siedlern auf, die mit Spießen bewaffnet waren.
»Am Tor steht ’ne Wache«, murmelte Remiss. »Ich frag mich, warum.«
»Ich auch«, antwortete Flenner und stellte sich in den Steigbügeln auf. »Das Tor bewachn sie, aber auf der Seite der Mühle is die Palisade eingefalln, da kann man mit ’nem Wagn reinfahrn ...«
Sie ritten heran, zügelten die Pferde.
»Seid gegrüßt, Hausherrn!«, rief Flenner jovial, wenn auch etwas unnatürlichen Tones. »Schön’ Tag auch!«
»Wer seid ihr?«, fragte der größte der Siedler knapp.
»Wir, Gevatter, sind vom Heer«, log Flenner, auf den Sattel gestützt. »Im Dienst seiner Esselenz des Herrn Präfektn von Amarillo.«
Der Siedler fuhr mit der Hand über das Holz des Spießes, musterte Flenner unter gesenkten Brauen hervor. Er konnte sich zweifellos nicht entsinnen, bei welcher Taufe der Greifer sein Gevatter geworden sein sollte.
»Der edle Herr Präfekt hat uns hergeschickt«, log Flenner weiter, »dass wir herausfindn, wie es sein’ Landsleutn geht, den gutn Leutn von Glyswen. Seine Esselenz schickt Grüße und lässt fragn, ob die Leute von Glyswen nicht vielleicht irgendwie Hilfe brauchn?«
»Wir komm’ schon zurecht«, sagte der Siedler. Ciri stellte fest, dass er die Gemeinsprache so wie der Geflügelte sprach, mit demselben Akzent, obwohl er im Stil seiner Rede den Jargon Flenners nachzuahmen versuchte. »Sind gewohnt, selber zurechtzukomm’.«
»Das wird den Herrn Präfektn freun, wenn wir ihm das sagn. Hat die Schenke auf? Uns sind die Kehln ausgetrocknet ...« »Hat auf«, sagte der Siedler mürrisch. »Vorerst noch.«
»Vorerst?«
»Vorerst. Weil wir diese Schenke demnächst zerlegen, die Balken und Bretter eignen sich für ’ne Scheune. Die
Weitere Kostenlose Bücher