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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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mit Gewalt in der Schule ein. Sie wollen selber  ...«
    »Klar doch.« Ciri lächelte schelmisch. »Wenn sie wollen, dann sitzen sie in diesem Gefängnis. Wenn sie nicht wollen würden, hätten sie sich nicht dort einschließen lassen. Das ist überhaupt keine Kunst, man muss nur rechtzeitig das Weite suchen. Noch ehe man sich dort befindet, denn danach kann es schwierig werden  ...«
    »Wie das? Fliehen? Und wohin sollten sie  ...«
    »Sie«, unterbrach sie ihn, »wussten sicherlich nicht wohin, die Ärmsten. Fabio? Wo liegt die Stadt  ... Hirundum?«
    Der Bursche betrachtete sie überrascht. »Hirundum ist keine Stadt«, sagte er. »Das ist ein großes Gut. Es gibt dort Gärten, die Gemüse und Obst für alle Städte in der Umgebung liefern. Es gibt da auch Teiche, in denen Karpfen und andere Fische gehalten werden  ...«
    »Wie weit ist es von hier nach diesem Hirundum? In welche Richtung? Zeig es mir.«
    »Und wozu willst du das wissen?«
    »Zeig es mir, bitte.«
    »Siehst du diese Straße, die nach Westen führt? Dort, wo die Wagen sind? Die fahren gerade nach Hirundum. Es sind so an die fünfzehn Meilen, die ganze Zeit durch Wald.«
    »Fünfzehn Meilen«, wiederholte Ciri. »Nicht weit, wenn man ein gutes Pferd hat  ... Dank dir, Fabio.«
    »Wofür dankst du mir?«
    »Unwichtig. Jetzt führ mich zum Markt. Du hast es versprochen.«
    »Gehen wir.«
    Ein solches Gedränge und solchen Tumult wie auf dem Markt von Gors Velen hatte Ciri noch nirgends erlebt. Der laute Fischmarkt, über den sie unlängst gegangen waren, wirkte dagegen wie ein stiller Tempel. Der Platz war wahrlich gigantisch, und trotzdem hatte sie den Eindruck, dass sie höchstens von weitem einen Blick darauf werfen könnten, denn einen Fuß auf den Marktplatz zu setzen, schien nicht einmal im Traum möglich zu sein. Fabio stürzte sich jedoch kühn in die zusammengeballte Menge und zog Ciri an der Hand mit. Ciri wurde sogleich schwindlig.
    Die Verkäufer schrien sich die Seele aus dem Leib, die Käufer noch lauter, im Gedränge verlorene Kinder heulten und jammerten. Rindvieh brüllte, Schafe blökten, Geflügel schnatterte und krähte. Zwergenhandwerker hieben verbissen mit Hämmern auf Bleche, und wenn sie damit aufhörten, um sich zu betrinken, begannen sie unflätig zu fluchen. Von mehreren Stellen des Platzes ertönten Pfeifen, Lauten und Zimbeln, anscheinend spielten da Vaganten und Musiker auf. Zu allem Überfluss blies jemand, der inmitten des Getümmels unsichtbar blieb, unablässig in eine Messingposaune. Das war unverkennbar kein Musiker.
    Ciri sprang vor einem direkt auf sie zurennenden, durchdringend quiekenden Schwein beiseite und stieß gegen Käfige mit Hühnern. Sie wurde angerempelt und trat auf etwas Weiches, das miaute. Sie sprang zurück und wäre beinahe einem großen, stinkenden, hässlichen und bedrohlichen Vieh unter die Hufe geraten, das mit seinen struppigen Flanken die Leute auseinanderdrängte.
    »Was war das?«, ächzte sie, während sie um ihr Gleichgewicht rang. »Fabio?«
    »Ein Kamel. Hab keine Angst.«
    »Ich habe keine Angst! Das fehlte noch!«
    Sie blickte sich neugierig um. Sie schaute den Halblingen bei der Arbeit zu, die unter den Augen des Publikums schmucke Weinschläuche aus Ziegenleder herstellten, begeisterte sich für die schönen Puppen, die ein Halbelfenpaar an einem Stand feilbot. Sie betrachtete die Erzeugnisse aus Malachit und Jaspis, die ein mürrischer und brummiger Gnom zum Verkauf anbot. Mit Interesse und Kennerblick musterte sie die Schwerter am Stande eines Waffenschmieds. Sie sah Mädchen zu, die Weidenkörbe flochten, und kam zu dem Schluss, dass es nichts Schlimmeres als Arbeit gebe.
    Das Blasen auf der Posaune hörte auf. Vermutlich hatte man den Bläser erschlagen.
    »Was riecht denn hier so lecker?«
    »Krapfen.« Fabio klopfte auf den Geldbeutel. »Hast du den Wunsch, einen zu essen?«
    »Ich habe den Wunsch, zwei zu essen.«
    Der Verkäufer reichte ihnen drei Krapfen, nahm den Fünfer und gab ein paar Kupfermünzen heraus, von denen er eine in der Mitte durchbrach. Ciri, die allmählich ihre Fassung zurückgewann, schaute ihm zu, während sie gierig den ersten Krapfen verschlang.
    »Wozu tut er das?«, fragte sie, während sie sich über den zweiten hermachte.
    »Weil« – Fabio schluckte seinen Krapfen hinunter – »es keine kleineren Münzen als den Groschen gibt. Werden dort, wo du herkommst, keine halben Groschen verwendet?«
    »Nein.« Ciri leckte sich die Finger

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