Die Zeit der Verachtung
einem Munde. »Das ist eine Illusion.«
»Tatsächlich!« Marti Sodergren beugte sich vor, zog das Näschen kraus, worauf sie das Weinglas in die Hand nahm, die Spur von karminrotem Lippenstift betrachtete. »Na klar, Philippa Eilhart. Wer sonst würde sich auf solch eine Dreistigkeit einlassen. Die widerwärtige Schlange. Wisst ihr, dass sie für Wisimir von Redanien spioniert?«
»Und Nymphomanin ist?«, riskierte der Hexer zu sagen.
Marti und Keira prusteten los.
»Hast du etwa darauf gezählt, als du mit ihr Süßholz geraspelt und zu flirten versucht hast?«, fragte die Heilerin. »Wenn dem so ist, sollst du wissen, dass dich jemand übel angeführt hat. Philippa macht sich seit einiger Zeit nichts mehr aus Männern.«
»Aber vielleicht bist du eine Frau?« Keira Metz spitzte die glänzenden Lippen. »Vielleicht täuschst du den Mann nur vor, Kollege Meister der Magie? Um das Inkognito zu wahren? Weißt du, Marti, er hat mir vor einem Augenblick gestanden, dass er gern etwas vortäuscht.«
»Er tut es gern und gut.« Marti lächelte boshaft. »Nicht wahr, Geralt? Unlängst habe ich gesehen, wie du vorgetäuscht hast, du hättst ein miserables Gehör und kenntest die Ältere Rede nicht.«
»Er hat eine Menge Fehler«, sagte Yennefer kalt, die hinzugetreten war und den Hexer besitzergreifend unterfasste. »Er hat praktisch nichts als Fehler. Ihr vergeudet eure Zeit, Mädels.«
»Sieht so aus«, stimmte Marti Sodergren zu, noch immer boshaft lächelnd. »Wir wünschen also viel Spaß. Komm, Keira, lass uns etwas ... Alkoholfreies trinken. Vielleicht entschließe auch ich mich heute Nacht zu etwas?«
»Uff«, ächzte er, als sie weg waren. »Das war höchste Zeit, Yen. Danke.«
»Du dankst? Das meinst du doch wohl nicht im Ernst. Es gibt in diesem Saal genau elf Frauen, die unter durchsichtigen Blusen ihre Titten sehen lassen. Ich lasse dich eine halbe Stunde allein, und dann erwische ich dich im Gespräch mit zweien davon ...«
Yennefer unterbrach sich, blickte auf das fischförmige Gefäß.
»... und beim Essen einer Illusion«, fügte sie hinzu. »Ach, Geralt, Geralt. Jetzt ist Gelegenheit, dich ein paar Personen vorzustellen, die kennenzulernen sich lohnt.«
»Ist eine dieser Personen Vilgefortz?«
Die Zauberin kniff die Augen zusammen. »Interessant, dass du gerade nach ihm fragst. Ja, es ist Vilgefortz, der dich kennenlernen und sich mit dir unterhalten möchte. Ich warne dich, das Gespräch kann banal und oberflächlich wirken, aber lass dich davon nicht täuschen. Vilgefortz ist ein erfahrener, unglaublich intelligenter Spieler. Ich weiß nicht, was er von dir will, aber sieh dich vor.«
»Ich werde mich vorsehen«, seufzte er. »Aber ich glaube nicht, dass dein erfahrener Spieler imstande sein wird, mich zu überraschen. Nicht nach dem, was ich hier durchgemacht habe. Auf mich haben sich Spione gestürzt, mich haben aussterbende Echsen und Hermeline angefallen. Ich bin mit nicht existierendem Kaviar gefüttert worden. Nymphomaninnen, die sich nichts aus Männern machen, haben meine Männlichkeit in Zweifel gezogen, mir mit Vergewaltigung auf einem Igel gedroht, mich mit Schwangerschaft, was sag ich, sogar mit einem Orgasmus geängstigt, und zwar einem ohne die zugehörigen rituellen Bewegungen. Brrr ...«
»Du hast getrunken?«
»Eine Art Weißwein von Cidaris. Aber wahrscheinlich war ein Aphrodisiakum drin ... Yen? Kehren wir nach dem Gespräch mit diesem Vilgefortz nach Loxia zurück?«
»Wir kehren nicht nach Loxia zurück.«
»Wie das?«
»Ich will die Nacht in Aretusa verbringen. Mit dir. Ein Aphrodisiakum, sagst du? Im Wein? Interessant ...«
»O jechen, je«, seufzte Yennefer, reckte sich und warf ein Bein über ein Bein des Hexers. »Ach je. So lange habe ich keine Liebe gemacht ... So schrecklich lange.«
Geralt vergrub die Finger in ihren Locken, sagte nichts. Erstens konnte die Feststellung eine Provokation sein, er fürchtete den im Köder versteckten Haken. Zweitens wollte er nicht mit Worten den Geschmack ihrer Lust wegwischen, den er noch immer auf den Lippen hatte.
»Sehr lange habe ich mich nicht mit einem Mann geliebt, der mir seine Liebe erklärt hat, und ich ihm meine«, murmelte sie nach einem Augenblick, als schon klar war, dass der Hexer den Köder nicht angenommen hatte. »Ich hatte vergessen, wie das sein kann. Jechen, je.«
Sie reckte sich noch stärker, breitete die Arme aus und erfasste mit beiden Händen die Ecken des
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