Die Zeit der Verachtung
Kopfkissens, und da nahmen ihre vom Mondlicht übergossenen Brüste eine Form an, die bei dem Hexer im unteren Ende des Rückens ein Kribbeln auslöste. Er umarmte sie, beide lagen sie reglos da, verloschen, kühlten sich ab.
Vor dem Fenster des Zimmerchens zirpten Grillen, man hörte auch entfernte, leise Stimmen und Gelächter, ein Zeichen, dass das Bankett trotz der weit vorgerückten Stunde andauerte.
»Geralt?«
»Ja, Yen?«
»Erzähl.«
»Von dem Gespräch mit Vilgefortz? Jetzt gleich? Ich erzähl’s dir morgen früh.«
»Jetzt gleich, bitte.«
Er schaute zu dem kleinen Schreibtisch in der Zimmerecke. Darauf lagen Bücher, Alben und andere Gegenstände, die die vorübergehend nach Loxia ausquartierte Adeptin nicht mitgenommen hatte. Fürsorglich gegen die Bücher gelehnt, saß dort auch eine rundliche Stoffpuppe in einem Faltenrock, der vom häufigen Drücken zerknittert war. Sie hat die Puppe nicht mitgenommen, dachte er, um sich in Loxia im gemeinsamen Schlafraum nicht dem Gespött der anderen Mädchen auszusetzen. Sie hat ihr Püppchen nicht mitgenommen. Und jetzt kann sie ohne es sicherlich nicht einschlafen.
Die Puppe fixierte ihn mit ihren Glasaugen. Er wandte den Blick ab.
Als Yennefer ihn dem Kapitel vorgestellt hatte, hatte er die Elite der Zauberer wachsam beobachtet. Hen Gedymdeith widmete ihm nur einen kurzen, müden Blick – man sah, dass das Bankett den Alten schon ausgiebig gelangweilt und erschöpft hatte. Artaud Terranova verbeugte sich mit einer zweideutigen Grimasse, während sein Blick zwischen Geralt und Yennefer hin und her huschte, wurde aber angesichts der anderen sogleich ernster. Die blauen Elfenaugen von Francesca Findabair waren undurchdringlich und hart wie Glas. Als er ihr vorgestellt wurde, lächelte die Aster aus den Tälern. Das Lächeln, wenngleich unheimlich schön, ließ den Hexer erschaudern. Tissaia de Vries, scheinbar unablässig mit dem Zurechtrücken von Manschetten und Schmuck beschäftigt, bedachte ihn mit einem weitaus weniger schönen, aber wesentlich aufrichtigeren Lächeln. Und es war Tissaia, die sofort ein Gespräch mit ihm begann, indem sie an eine seiner edlen Hexertaten erinnerte, derer er sich überhaupt nicht entsinnen konnte und von der er argwöhnte, sie habe sie sich aus den Fingern gesogen.
Und da schaltete sich Vilgefortz in die Unterhaltung ein. Vilgefortz von Roggeveen, ein Zauberer von imposanter Statur, mit edlen und schönen Gesichtszügen, einer offenen und respektvollen Stimme. Geralt wusste, dass man bei Leuten, die so aussehen, mit allem rechnen muss.
Während des kurzen Gesprächs spürten sie beunruhigte Blicke auf sich. Den Hexer betrachtete Yennefer. Vilgefortz schaute die junge Zauberin mit den freundlichen Augen an, die unablässig versuchte, die untere Gesichtshälfte hinter einem Fächer zu verbergen. Sie tauschten ein paar konventionelle Bemerkungen aus, worauf Vilgefortz vorschlug, das Gespräch im kleineren Kreis fortzusetzen. Geralt hatte den Eindruck, dass Tissaia de Vries die einzige Person war, die sich über diesen Vorschlag wunderte.
»Bist du eingeschlafen, Geralt?« Yennefers Murmeln riss ihn aus seinen Gedanken. »Du solltest mir von eurem Gespräch erzählen.«
Die Puppe auf dem Schreibtisch schaute ihn gläsern an. Er wandte den Blick ab.
»Sobald wir in den Säulengang hinausgegangen waren«, begann er nach einer Weile, »hat dieses Mädchen mit dem sonderbaren Gesicht ...«
»Lydia van Bredevoort. Vilgefortz’ Assistentin.«
»Ja, richtig, du hattest es erwähnt. Eine unbedeutende Person. Als wir also im Säulengang waren, ist diese unbedeutende Person stehen geblieben, hat ihn angeschaut und etwas gefragt. Telepathisch.«
»Das war keine Taktlosigkeit. Lydia kann ihre Stimme nicht gebrauchen.«
»Das dachte ich mir. Denn Vilgefortz antwortete ihr nicht telepathisch. Er antwortete ...«
»Ja, Lydia, das ist ein guter Einfall«, antwortete Vilgefortz. »Lass uns durch die Galerie des Ruhmes spazieren. Du wirst Gelegenheit haben, einen Blick auf die Geschichte der Magie zu werfen, Geralt von Riva. Ich zweifle nicht daran, dass du die Geschichte der Magie kennst, aber du wirst Gelegenheit haben, ihre visuelle Seite kennenzulernen. Wenn du ein Kunstkenner bist, dann erschrick nicht. Die meisten Bilder sind das Werk enthusiastischer Studentinnen aus Aretusa. Lydia, sei so gut und helle das hier herrschende Dunkel ein wenig auf.«
Lydia van Bredevoort fuhr mit der Hand durch die Luft, und
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