Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)
rastete ich aus. »Lass mich los, du hast hier gar nichts zu sagen!«
Ich weiß nicht mehr, was ich ihm alles an den Kopf warf, jedenfalls knallte er mir plötzlich eine. Der Schlag traf mich so unvermittelt, dass ich mit dem Kopf gegen den Türrahmen schlug. Jakob war so erschrocken, dass er sofort eine ganze Entschuldigungstirade losließ. »Es tut mir so leid, das wollte ich nicht, das musst du mir glauben, Mist, ich weiß auch nicht …«
Triumph! Du hast die Kontrolle verloren, du bist ein Wurm.
Ich starrte ihn minutenlang an, dann zischte ich: »Du bist nicht mein Vater, und wenn du mich noch einmal schlägst, zeig ich dich an!«
Ein schaler Triumph.
Draußen, auf der Straße, wusste ich nicht, wohin. Warum konnten wir nicht mehr normal miteinander reden, warum mussten wir immer gleich rumschreien? Und dann auch noch Jakob, der den Erziehungsberechtigten herauskehren musste.
Ich sah auf die Uhr. Hm. Thorsten war wohl noch auf Schicht. Aber ich hatte einen Schlüssel und entschied mich, in seiner Wohnung auf ihn zu warten.
Mit der Straßenbahn fuhr ich nach Grünau. Als Thorsten um zehn immer noch nicht da war, beschloss ich, ins Admira Center zu fahren.
Der Türsteher dort kannte mich. Ich war in den letzten Monaten regelmäßig mit Lea dort gewesen, Thorsten hatte uns vorgestellt. Wenn am Eingang nicht viel los war, alberten wir manchmal ein bisschen mit ihm herum, und wenn er einen guten Tag hatte, kamen wir schon mal ohne Eintritt hinein. Wer weiß, vielleicht hatte ich Glück, und Lea war auch da?
Erwartungsvoll steuerte ich auf Erik zu.
»Hey, alles klar? Ist Lea da? Und Thorsten?«
Komisch. Er sah nur betreten nach unten. Von drinnen hörte ich den Bass wummern.
»Was’n los? Willste mich nicht reinlassen?«
»Mandy, also ich … Jetzt wart erst mal.«
Damit ließ er mich stehen. Kurz darauf kam er mit einem Freund von Thorsten zurück. Der sagte ohne Umschweife zu mir: »Wenn du da jetzt reingehst, darfst du das nicht falsch verstehen … Also dein Kerl, der hat da grade was am …«
Was hatte der? Hatten die jetzt alle einen Knall?
Ich schob mich an den beiden vorbei durch die Tür.
Es dauerte einen Moment, bis meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten. Aber wenn es sein musste, fand ich den Weg zur Bar mittlerweile auch im Schlaf. Ich quetschte mich durch die Menge – und das Nächste, was ich sah, war Thorsten. Um den Hals geschlungen hatte er die Arme einer jungen Frau, die mit gespreizten Beinen auf einem Barhocker saß. Er stand genau zwischen ihren Oberschenkeln und grinste sie blöd an.
Das konnte nicht sein! Thorsten war doch mit mir zusammen! Ich war seine Freundin, mich liebte er, sonst niemanden!
Das Einzige, was er zu mir sagte, war: »Mach jetzt kein Theater und zieh Leine.«
Sein Ton war so fremd, so anders, dass ich mich fügte. Meine rosarote Teeniewelt geriet ins Wanken. Aber ich wollte doch so gerne daran festhalten. Guck die dir mal bei Licht an, die ist viel zu alt. Die hat schon Falten. Ha. Nein, die ist keine Gefahr für uns, nicht für mich. Ist sie doch! Nein, ist sie nicht! Die Leggings, das geht gar nicht. Und diese Haare. Arschloch. Ey, du kannst doch jetzt nicht ernsthaft …
Ich gab mir die volle Packung, setzte mich ein paar Meter entfernt an die Bar und starrte unverwandt zu den beiden hinüber. Ich traute mich nicht, ihn zur Rede zu stellen, fühlte mich machtlos und hatte Angst. Angst, ihn zu verlieren. Ist wahrscheinlich wirklich nicht weiter schlimm, die hat sich bestimmt aufgedrängt, morgen ist alles wieder in Ordnung. Während meine Gedanken mit mir Achterbahn fuhren, ließ ich mich volllaufen. Ich nahm wahllos jedes Getränk an, das mir der Barkeeper vor die Nase stellte. Es gab immer irgendjemanden, der einem was ausgab. Prost, danke, ich bin schon vergeben, weg damit.
Irgendwann kam Erik mit Daniela im Schlepptau an die Theke. Die brauchte ich grade noch. Aufpasser! Daniela hatte immer ein Auge auf die »Minderjährigen«, sie war mit Erik und dem DJ befreundet, der gute Geist des Ladens. Sie redeten auf mich ein, dass es jetzt genug sei und dass ich nach Hause sollte. Ich kriegte sie nicht mehr von der Hacke, egal, was ich sagte.
Haha, aber nicht mit mir. Ich bin doch kein kleines Kind mehr, dem man sagt, wann es ins Bett muss.
»Is gut, is gut. Nur noch aufs Klo, dann geh ich.«
Ich rutschte vom Barhocker, konzentrierte mich und bewältigte den Weg Richtung Toilette meisterhaft, wie ich fand.
Dort beging ich eine ziemliche
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