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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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übereinander. Knupp reichte ihm eine Lupe. »Sehen Sie, hier.«
    Die Negative schienen tatsächlich deckungsgleich. Keine Linie, Schattierung und Form wich von der darunterliegenden ab.
    Knupp gab ihm zwei Papiervergrößerungen der Negative. Sie zeigten das Mehrfamilienhaus Gustav-Rautner-Weg vierzig, das Haus, in dem er wohnte. Auf dem einen stand das Datum 17.3., 09:15, auf dem anderen 18.3., 09:15.
    »Vierundzwanzig Stunden ohne das kleinste Indiz, dass Zeit vergangen wäre.«
    Zum ersten Mal hatte Taler den Eindruck, Knupps Stimme habe ein wenig von ihrem Gleichmut verloren.
    »Und jetzt das!« Der alte Mann war aufgeregt. »Kurz nach der älteren dieser Aufnahmen ist Ihre Frau aufgetaucht.« Er reichte Peter Taler ein weiteres Foto. Es zeigte den gleichen Bildausschnitt, aber jetzt war Laura im Bild. Sie stand neben dem Briefkasten und hatte dessen Tür geöffnet. Peter erkannte das Foto – es war das schärfere der beiden, die im Umschlag gesteckt hatten. Es trug das Datum 17.3., 09:17.
    Knupp gab ihm ein zweites Bild. Es war das zweite aus dem Umschlag. Laura stand am selben Fleck, aber sie war durch eine Bewegungsunschärfe etwas verwischt. Das Datum war – der 18.3., 09:17.
    Taler sah von dem Bild auf. »Das Datum kann nicht stimmen.«
    »Warum nicht?« Knupp klang wie ein Lehrer, der nach der Begründung einer richtigen Antwort fragte.
    »Laura ist auf beiden Bildern gleich angezogen. Aber sie trug nie zweimal hintereinander dasselbe. Nicht einmal denselben Mantel.«
    »Stimmt. Nie. Das ist auch mir aufgefallen. Was heißt das also?« Wieder dieser schulmeisterliche Ton.
    »Ganz einfach«, sagte Taler. »Die Bilder sind am gleichen Tag aufgenommen.«
    »Ja und nein. Ich habe genau Protokoll geführt.« Knupp schlug in einem schwarzen Notizbuch nach und deutete auf den Eintrag. »Ich habe die zweite Aufnahme mit Laura exakt vierundzwanzig Stunden nach der ersten gemacht. Zwei Minuten nach der deckungsgleichen ohne Laura.«
    Er griff nach zwei Kontaktbögen, die auf dem Tisch lagen, und reichte sie Peter. »Das sind Kontakte der Filmstreifen, bevor ich sie geschnitten habe. Sie sind datiert, und die beiden deckungsgleichen habe ich angekreuzt. Achten Sie auf die nachfolgenden Aufnahmen.«
    Taler richtete die Lupe auf die Serie mit Laura, vier Aufnahmen im Ganzen. Die letzte, bevor Laura im Bild auftauchte, war die erste deckungsgleiche, nach den vier Bildern mit Laura folgten andere Motive – der Garten, die Straße bei anderem Licht, eine Nachtaufnahme mit Straßenbeleuchtung.
    Der zweite Kontaktbogen zeigte inmitten verschiedener Motive die Serie des Briefkastens, darunter das deckungsgleiche, und gleich danach die bewegungsunscharfe, gleich gekleidete Laura und danach wieder andere Bilder, offensichtlich zu anderen Tageszeiten aufgenommen.
    Taler verglich noch einmal sorgfältig die beiden Fotos mit der gleichen Laura.
    Es musste ein kühler Tag gewesen sein. Sie trug ihren großkarierten, schwarzgelben Wollmantel und den schwarzen Kaschmirschal mit den großen weißen Tupfen. Ihr Haar war unter dem enganliegenden, ebenfalls schwarzen Hut versteckt, den sie immer tief in die Stirn gezogen hatte. Unter dem Mantelsaum schauten die schwarzen Stiefel mit den hohen Absätzen heraus. Über der linken Schulter straffte sich der Trageriemen ihrer großen abgenutzten Lieblingshandtasche.
    Die Kleidung auf dem zweiten Bild unterschied sich in nichts vom ersten.
    »Wissen Sie, was das bedeutet? Ich habe die Bilder zu verschiedenen sogenannten Zeitpunkten aufgenommen. Aber weil ja die Zeit nicht existiert, nur die Veränderung, und zwischen diesen beiden Momenten keine Veränderung sichtbar ist, ist es derselbe Moment geblieben. Deswegen, verstehen Sie?« – Knupp hob die Stimme – » deswegen ist Laura natürlich auf beiden Fotos zu sehen. Auf dem zweiten etwas verwischt, weil ich wohl ein paar Sekundenbruchteile später ausgelöst hatte.«
    Peter Taler sah die Fotos an und versuchte angestrengt, sich zu konzentrieren und diese Logik zu erfassen. Er kam sich vor wie in den ersten Jahren des Mathematikunterrichts, bevor bei ihm, wie sein Lehrer es nannte, endlich der Knoten geplatzt war.
    Knupp half ihm. »Versuchen Sie kurz zu akzeptieren, dass es keine Zeit gibt. Es gibt nur Veränderungen. Wenn diese alle ausbleiben, steht das, was wir Zeit nennen, still. Einverstanden?«
    Taler ließ es durchgehen.
    »Jetzt einen Schritt weiter: Wir wählen einen beliebigen vergangenen Zeitpunkt und versetzen alles, was

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