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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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nichts Geheimnisvolleres bedeutete als Dentalhygiene. Geschäftliche Einträge fehlten, ihren Geschäftskalender führte sie im Computer.
    Der Februar sah ganz ähnlich aus. Ein paar Verabredungen zum Essen, ein paar Gedächtnisstützen, die obligate Reihe der »P« und zweimal »Arosa«, mit einem langen roten Strich verbunden. Ihre Woche Winterferien im letzten Jahr.
    Im März tauchten Zahlen auf. Die erste: »55!!!« Zwei Tage später »54,7«, danach »54,4«, dann »54,5!!!« und so weiter bis »52,9«. Es war das Protokoll einer ihrer Blitzdiäten, mit denen sie sich bestrafte, wenn sie ihr persönliches Limit von fünfundfünfzig Kilo erreicht hatte.
    Auch kleine, von ihrer Grafikerhand gekonnt gezeichnete Symbole tauchten jetzt auf. Regentropfen, Sonnen, Herzchen, Totenköpfe, Weinflaschen und manchmal auch ein kleines Feuerwerk. Peter nahm an, dass es Kommentare zu ihrem Alltag waren. Zum Wetter, zur Stimmungslage, zum Weinkonsum oder zum Sex, den sie zusammen hatten.
    Die Initialen, die vorkamen, konnte er alle identifizieren. Es handelte sich um Freunde oder Arbeitskollegen, mit denen sie verabredet war oder auf die sich ein Herz oder ein Totenkopf bezog. Aber im April tauchte das »K« auf. Er konnte es niemandem zuordnen. »K?«, lautete der erste Eintrag. Der zweite: »K«. Und der letzte, am zehnten Mai, kurz vor ihrem Tod: »K!« Und daneben ein größeres Feuerwerk. Das größte im ganzen Büchlein.
    War K der Mopedfahrer? Und das Feuerwerk?
    Taler verstaute den Kalender wieder in der Handtasche.
    Es hatte ihn einige Überredungskunst gekostet, bis Barbara einwilligte, ihn zu treffen. Sie sei schon verabredet, hatte sie behauptet. Doch er hatte insistiert. Es sei dringend. Aber nicht zum Essen, nur zum Kaffee, hatte sie schließlich gesagt.
    Sie trafen sich im Schnellimbiss eines Warenhauses. Wieder musste Taler fast zwanzig Minuten warten und den freien Barhocker neben sich verteidigen. Als Barbara endlich kam, tat sie das mit der Ankündigung, dass sie eigentlich schon wieder weg sein müsste. Er solle gleich zur Sache kommen.
    »Hatte Laura einen Liebhaber?«
    Barbara sah ihn überrascht an. » Das ist also so furchtbar dringend?«
    »Es ist dringend.«
    »Männer. Eifersüchtig bis über das Grab hinaus.« Barbara schüttelte den Kopf. »Laura ist tot, Peter.«
    »Und ich will wissen, wer sie umgebracht hat. Vielleicht war es ihr Liebhaber. Vielleicht wollte sie ihn loswerden.« Er dämpfte die Stimme, die beiden Frauen neben ihnen hatten ihr Gespräch unterbrochen, und die, die am nächsten saß, sah zu ihnen herüber. »Das hat nichts mit Eifersucht zu tun. Nur damit, dass es vielleicht ein Beziehungsdelikt war.«
    Er schob die beiden Espressotassen etwas zur Seite und legte die Fotos auf die Theke. »Hast du eine Ahnung, wer das ist?«
    Barbara sah sich die Bilder mit der gleichen Ratlosigkeit an wie alle vor ihr. »Selbst wenn ich ihn kennen würde, erkennen könnte ich ihn darauf nicht.«
    Peter steckte die Fotos wieder ein. »Hatte sie einen Liebhaber oder nicht? Freundinnen erzählen sich solche Dinge.«
    »Mir hat sie nichts in dieser Art erzählt.«
    Taler musterte sie misstrauisch. Sie saß kerzengerade auf ihrem Barstuhl und sah ihn herausfordernd an.
    »Und wenn«, sagte er, »dann würdest du sie nicht verraten.«
    Barbara antwortete nicht.
    »Selbst wenn du damit ihren Mörder schützen würdest.«
    »Der Mörder«, stieß sie verächtlich hervor. »Glaubst du, sie wird wieder lebendig, wenn du ihn findest?«
    »Vielleicht.«
    »Macht nichts, gehen Sie nur durch. Ich habe Sie nicht um diese Zeit erwartet.«
    Peter Taler ging auf Zehenspitzen über die nasse Diele zum Wohnzimmer und wartete. Er war extra früher nach Hause gekommen, um Frau Gelphart zu begegnen und sie über den Mopedfahrer ausfragen zu können.
    Alles war noch schlimmer geworden: Er hatte im Geschäftskalender nachgesehen und festgestellt, dass er an jenem zehnten Mai, dem Tag des Mopedfahrerbesuchs, den ganzen Tag nicht im Büro gewesen war. Seine Tätigkeit war zwar nicht mit vielen Reisen verbunden, aber ab und zu wurde er in eine der drei Niederlassungen geschickt, um die Finanzabteilung zu verstärken. An jenem Tag war es die Filiale in Bern gewesen.
    Auch wenn es ihm schwerfiel, es zu glauben, es sah ganz nach dem alten Klischee aus: Der Mann ist auf Geschäftsreise, und die Frau veranstaltet mit ihrem Liebhaber zu Hause kleine Feuerwerke fürs Tagebuch.
    Frau Gelphart arbeitete wortlos im Vestibül. Früher

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