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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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bereits von seinem Vorgänger übernommen hatte, mussten alle Zahlungsaufträge bis hunderttausend Franken von Gerber visiert werden. Höhere Beträge brauchten das Visum von Gerber und ihm selbst. In der Regel wurde nur die Gesamtsumme vorgelegt, aber es kam vor, dass Gerber oder sogar Perlucci sich die Detailaufstellung geben und ganz selten sogar, dass er sich bestimmte Rechnungsoriginale bringen ließ.
    Peter Taler war nervös, als er mit dem Zahlungsauftrag über etwas unter dreihundertvierzigtausend Franken in Gerbers Büro vorsprach.
    Sein Vorgesetzter telefonierte wie meistens und ließ seinen Besucher demonstrativ warten, um klarzustellen, wessen Zeit kostbarer war. Nach ein paar Minuten tat er so, als hätte er ihn eben erst entdeckt, und bedeutete ihm, auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen. Taler blieb stehen. Stehende Wartende ließ man weniger lange warten als sitzende.
    »Wie geht es deinem Arm?«, war Gerbers erste Frage, wie jedes Mal, wenn er ihn sah.
    »Gut. Mit dem neuen Verband kann ich wieder Auto fahren.« Er reichte ihm den Zahlungsauftrag. Die Detailaufstellung behielt er im Klarsichtmäppchen.
    Gerber sah die Summe an, nickte sorgenvoll, als handle es sich um sein eigenes Erspartes, und sagte: »Solche Schwankungen machen das Cash Management auch nicht eben leichter.«
    Taler wusste, dass Gerber nichts mit dem Cash Management von Feldau & Co. zu tun hatte und dass es sich bei der Schwankung diesmal um eine nach unten handelte, dafür hatte er nämlich beim Verbuchen gesorgt. Trotzdem sah es einen Moment lang aus, als wollte sich Gerber aus reiner Schikane die Detailaufstellung geben lassen. Doch das Telefon rettete Taler.
    Gerber warf einen Blick auf die Digitalanzeige, signierte den Zahlungsauftrag und sagte: »Entschuldige – das muss ich nehmen.«
    Perlucci war kein Problem. Er saß an seinem mit gerahmten Familienfotos vollgestellten Schreibtisch, blickte kurz von seiner Lektüre auf – einem dicken Endlosausdruck von Zahlenaufstellungen – , fragte: »Hat Gerber das kontrolliert?«, und signierte den Zahlungsauftrag, ohne hinzuschauen. Taler wünschte »schönen Tag noch«, aber Perlucci war bereits wieder in seine Zahlen vertieft.
    Noch im Lift klingelte sein Handy. »Marti« stand auf dem Display. Taler meldete sich.
    »Wir haben ihn«, sagte der Wachtmeister.
    »Wen?«
    »Den Mopedfahrer. Er ist ein Nachbar von Ihnen.«
    Taler wusste nicht, ob er überrascht tun sollte oder informiert. Er entschied sich für überrascht.
    »Aber ich muss Ihnen leider gleich sagen: Er war es nicht. Er hat ein wasserdichtes Alibi.«
    »Und was hatte er im Haus verloren?«
    Marti räusperte sich. »Das darf ich Ihnen aus ermittlungstechnischen Gründen nicht sagen. Aber es ist stichhaltig. Und bestätigt.«
    »Also Fehlalarm?«
    »Fehlalarm. Aber wir bleiben dran. Ich halte Sie auf dem Laufenden.« Er verabschiedete sich und legte auf.
    Set Factory stand in roten Kinolettern auf schwarzem Grund an der Fassade des etwas verwahrlosten Werkstattgebäudes in einem Industrieviertel der Stadt. Taler parkte seinen Citroën neben der Laderampe und klingelte.
    »Set Factory, Film-Ausstattungen und Set Design« stand auf dem Schild an der Tür, die jetzt aufsprang. Er betrat einen Korridor, der in eine Treppe mündete. Daneben ein großer Warenlift. Aus der Werkstatt links roch es nach Farbe. Aus der rechten drang das Kreischen einer Kreissäge. Ein Pfeil mit der Aufschrift »Büro« zeigte nach oben.
    Peter Taler folgte dem Pfeil die Treppe hinauf. Durch einen weiteren Atelierraum gelangte er zu einer mit Stickern vollgeklebten Glaswand, darin eine Tür mit der Aufschrift »Büro«.
    Der Raum war durch eine Theke zweigeteilt. Im vorderen Teil standen drei Schreibtische, der hintere war eingerichtet wie ein englischer Club mit Ledersesseln, Bücherwänden, Perserteppichen und viktorianischem Mobiliar.
    An einem der drei Schreibtische saß eine Frau in mittleren Jahren vor einem Bildschirm. Bei Talers Eintreten blickte sie auf. »Herr Taler?«
    Er war angemeldet. Er hatte mit dem Chef, Ronnie Betrio, gesprochen und mit ihm diesen Termin in der Mittagspause gemacht.
    Die Frau stand auf und führte Taler an der Theke vorbei. »Ronnie, dein Besuch.«
    Betrio stemmte sich aus dem Ledersessel und kam auf Taler zu. Er war ein untersetzter muskulöser Mann um die fünfzig mit langen unordentlichen graumelierten Haaren. Er trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Auf Schultern und Revers

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