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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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hatte, war sie steril geworden. Er konnte noch so viele Marlboros abbrennen und noch so oft ihr Shalimar versprühen, es gelang ihm nicht mehr, eine Atmosphäre heraufzubeschwören, die ihm das Gefühl gab, Laura sei noch hier.
    Es half auch nichts, gleich nach dem Nachhausekommen zu Bett zu gehen – sein eingegipster Arm weckte ihn bald wieder, und einmal wach, ließ ihn das Durcheinander seiner Gedanken nicht mehr einschlafen.
    Daher setzte er sich meistens mit einem Buch und einer Flasche Wein an den großen Tisch im Wohnzimmer, bis ihm die Augen zufielen. Vom einen oder vom anderen.
    An diesem Abend nahm er sich nochmals Der Irrtum Zeit von Walter W. Kerbeler vor. Er wollte das Buttonpond-Experiment noch einmal aufmerksam nachlesen.
    Er stieß auf nichts Neues, aber wie beim letzten Mal trugen das Experiment selbst und die Glaubwürdigkeit der Beweisführung wieder dazu bei, seine Zweifel schwinden zu lassen. Als er das Buch zuschlug, hatte er einen Teil seiner Motivation wiedererlangt, Knupp bei seiner viel umfassenderen, vielleicht epochalen Version des Experimentes zu helfen.
    Er sah auf das abgegriffene Buch vor ihm auf der Tischplatte. Etwas irritierte ihn. Etwas, das er unbewusst wahrgenommen hatte. Wie die Veränderungen in Knupps Garten, damals.
    Er schlug es nochmals auf, blätterte darin, versuchte, es mit neuen Augen zu sehen.
    Und plötzlich war ihm klar, was es war.
    Aber er musste lange am Blumenfenster stehen und auf den stillen Gustav-Rautner-Weg starren, bis er die ganze Tragweite seiner Entdeckung erfasste.

18
     
    Am nächsten Morgen war er eine Stunde vor Betty im Büro. Als Erstes eröffnete er ein neues Kreditorenkonto mit dem Namen »Wertinger«, rief Wertinger junior an und bat ihn, ab sofort das Kundenkonto »Gustav-Rautner-Weg« auf die Projektnummer 46144 WB und die Referenz »Waldberg« umzuändern, alle Rechnungen mit »Diverse Bepflanzungsarbeiten« zu bezeichnen und an Feldau & Co. zu adressieren. »Aus internen buchhalterischen Gründen«, erklärte Taler und fügte hinzu: »Für Sie macht das ja keinen Unterschied, solange das Geld pünktlich eintrifft.« Waldberg war eine Überbauung am Stadtrand und eines der größten Projekte von Feldau & Co.
    Danach richtete er ein weiteres Kreditorenkonto ein. »Illulaura« nannte er es, wie Lauras Illustrationsagentur. Und als Branche gab er an: »Armierungseisen«.
    Den Rest seines Arbeitstages verbrachte er mit den üblichen Routinearbeiten. Ungewöhnlich war nur seine neue Entschlossenheit, die er auch bei den kleinsten Nebensächlichkeiten an den Tag legte.
    Nach Feierabend fuhr er mit Betty und Enzo zu der Werkstatt, die die drei Autos in Arbeit hatte, und versicherte sich, dass die Arbeiten vorangingen. Danach fuhr er nach Hause und begab sich zu Knupp.
    Der Alte war beleidigt. Er hatte seinen Hackbraten mit Kartoffelstock gekocht, aber Taler naschte nur kommentarlos davon.
    Sein Teller war noch halb voll, als er vom Tisch aufstand und im Vermessungszimmer das Dossier holte, in dem sie Buch über die noch zu ersetzenden Pflanzen führten. Er las vor: »Dreiundfünfzig mittlere und größere Pflanzen, darunter so Brocken wie die Birke von Sophie Schalbert oder die Rottanne der Scholters. Dreihundertzwölf Kleinpflanzen, Blumen, Bodendecker, Einjährige, Blühpflanzen, Stauden und so weiter. Und das waren jetzt nur die Pflanzen. Dazu kommt: Restaurierung der Spielplatzgeräte, Nachbildung Haus Scholter, Rückbau Haus Hadlauber, Wiederherstellung Straßenbelag Gustav-Rautner-Weg, das alles in knapp sechzig Tagen. Angenommen, Geld spielte keine Rolle – wie würdest du vorgehen?«
    Jetzt erst bemerkte er, dass sich die Augen des alten Mannes mit Tränen gefüllt hatten. Er hob hilflos die Schultern, ließ sie fallen und legte seinen Kopf auf die Unterarme, die er vor sich auf dem Tisch verschränkt hatte.
    Taler sah auf den zuckenden Kopf mit dem verrutschten Haarteil. Er sah die schütteren, schwarzgefärbten Haare mit dem weißen Ansatz, hörte das unpassend kindliche Schluchzen und konnte sich doch nicht dazu aufraffen, den Alten zu berühren oder ihm wenigstens etwas Tröstliches zu sagen.
    Taler wartete einfach ab, bis sich Knupp so weit erholt hatte, dass er sich aufrichten und schneuzen konnte. »Angenommen, Geld spielte keine Rolle, wie würdest du vorgehen«, wiederholte er.
    Knupp schneuzte sich noch einmal. »Die Pflanzen«, sagte er mit noch tränenerstickter Stimme, »die Pflanzen macht Wertinger.«
    »Aber wie bekommst du

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