Die Zeit, die Zeit (German Edition)
ihm solche Momente. Er musste nicht mehr jede freie Minute bei Knupp verbringen. Er war jetzt mehr mit Administrativem und Organisatorischem beschäftigt. Rechnungen bezahlen, Geld beschaffen, Arbeiten koordinieren, den Kontakt zu Scholters pflegen und Dinge wiederbeschaffen.
Regulas Lok zum Beispiel blieb verschollen. Die Nichte von Frau Scholter hatte sie an ihre eigenen Kinder weitergegeben und, was davon übriggeblieben war, vor nicht allzu langer Zeit entsorgt. Scholters hatten nach viel gutem Zureden Fotos davon gefunden und herausgerückt, und jetzt waren Betrios Leute dabei, die Lok nachzubauen.
Die Büroarbeiten erledigte er in Lauras Atelier. Er hatte sich ein kleines Notebook angeschafft, denn ihren Computer, Drucker und Scanner brauchte er noch immer drüben für die Bildüberlagerungen, die weiter anfielen. Aber seit seiner folgenschweren Entdeckung versuchte er, möglichst wenig Zeit in der Gegenwart des alten Mannes zu verbringen. Er hielt sie immer schlechter aus.
Der August hatte sich ihren Plänen gegenüber gnädig gezeigt. Es hatte zwar manchmal geregnet, aber nicht so, dass die Gartenarbeiten behindert worden wären. Im Gegenteil, fast nach jeder Pflanzung fiel ein segensreicher Sommerregen. Engelpipi hatte Wertinger es genannt.
Nur an diesem letzten Augustsonntag war es drückend heiß. Wie damals in Lissabon, in ihren ersten gemeinsamen Ferien. Sie wohnten in einem billigen hostel in der Altstadt. Es roch muffig nach Staub und Mörtel. Die Läden des offenen Fensters waren geschlossen, und durch die Ritzen der Jalousien drangen die müden Geräusche der Straße. Sie lagen nackt und schweißgebadet auf dem Bett. Es war zu heiß, um sich zu berühren, aber die durchhängende Matratze schmiegte ihre Körper an ihrer tiefsten Stelle aneinander.
Taler ging ins Bad, entfernte die elastische Binde, die inzwischen den Verband ersetzt hatte, duschte, band den Unterarm neu ein, schlang ein Badetuch um die Hüfte und stellte sich ans Blumenfenster.
Knupps Garten war beinahe fertig. Der größte Teil der Pflanzen war ersetzt, und die Wunden im Gras waren fast verheilt. Das Haus war eingerüstet. Er hatte ein Malergeschäft beauftragt, die Fassade in der Farbe von damals zu streichen, Ronnie Betrios Team würde dann den Alterungsprozess durchführen und die auf den Fotos erkennbaren Verputzschäden rekonstruieren.
Auch die Arbeiten bei Scholters waren fortgeschritten. Kleinere Pflanzen waren ersetzt, und Set Factory hatte mit der Restaurierung der Spielgeräte begonnen. Die Rottanne stand noch in ihrer alten Größe da, aber Ersatz war gefunden, die Arbeiten waren für nächste Woche geplant.
Bei Hadlaubers war noch alles beim Alten. Taler hatte auch sie der Form halber um Erlaubnis gebeten, das Anwesen vorübergehend wieder in den Zustand von damals zurückversetzen zu dürfen, und war wie erwartet ausgelacht worden. Er hatte sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass ihr Haus und Garten unter diesen Umständen im Film nicht vorkommen würden, und Betrio und Wertinger grünes Licht gegeben, die Umbauarbeiten auf den ersten Oktober generalstabsmäßig vorzubereiten. Am Wochenende würde die Familie nach Kanada abfliegen, und am Montag würden die Teams der Filmausstatter und der Gärtner vorfahren. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen waren die Pflanzen ausgewählt und bei Wertinger bereitgestellt. Bei Betrio lagerte bereits das benötigte Material: verwitterte Waschbetonplatten aus dem Abbruchlager für die Rekonstruktion des früheren Gartensitzplatzes. Außerdem das ursprüngliche Spalier, das aus verwittertem Kantholz dem Holzspalier an Knupps Fassade nachgebaut worden war. Die Fensterläden, die Betrio den Besitzern eines der gleichen Häuser am Ende der Straße abgeschwatzt und gegen neue Normläden aus Kunststoff getauscht hatte. Der Gartenzaun, den er ebenfalls in einem Abbruchlager entdeckt und dessen Schutzanstrich er dem von Knupp angeglichen hatte. Vier große verzierte Terrakottatöpfe, wie sie Hadlaubers Vorgänger für die Lorbeerbäumchen, die den Hauseingang flankierten, benutzt hatten.
Talers Citroën war der einzige Wagen auf dem Parkplatz. Frau Feldter war wohl in der Luft, Steingärtners – endlich konnte er sich den Namen der neuen Familie merken – waren auf ihrem obligaten Sonntagsausflug. Sie waren aus Österreich zugezogen und absolvierten gewissenhaft die Sehenswürdigkeiten des Gastlandes. Kellers Nissan fehlte auch, aber seine Frau schien zu Hause zu sein, aus der Wohnung
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