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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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das versprochene Siegel, und soweit ich es erkennen konnte, war es das wohl bekannte S.P.Q.R. 2 Ich nahm den Schaft der Taschenlampe in den Mund, griff nach dem Zylinder, drehte ihn zur Seite und sah im Inneren die aufgerollten Papiere, auf die Nikola so scharf gewesen war.
    Nur noch kurz aufräumen und dann verschwinden, sagte ich mir, und wollte den Zylinder wieder sacht auf den Boden der Kiste legen. Verdammter Handschuh. Als wäre es Seife, rutschte das Metall durch den Stoff und landete polternd auf dem Boden. Ich versuchte noch den Aufprall zu verhindern, machte mich lang, doch alles, was ich erreichte, war, dass ich ausgestreckt zu Boden ging. Die Taschenlampe auch. Der Aufprall des Zylinders machte einen Heidenkrach, und ich war mir nicht sicher, inwieweit der Lärm draußen zu hören gewesen war. Egal, ich hatte den Zylinder, und jetzt war schnelles Verschwinden geboten.
    Zuerst nahm ich die Taschenlampe, steckte sie mir erneut mit dem Schaft in den Mund, sodass sie mir auf dem Weg nach draußen leuchten konnte, doch sie funktionierte nicht mehr. Zudem war sie bedeutend leichter geworden. Die Verschlusskappe musste sich gelöst haben, und die Batterien waren herausgefallen. Ich tastete den Boden ab, entdeckte relativ schnell die kleinen runden Teile und führte sie in den Schaft zurück. Aber wo war die Kappe? Wieder lag ich auf allen vieren und stocherte im Dunkel herum. Da war was, das musste sie sein. Ich versuchte sie aufzuschrauben, doch sie passte nicht. Wahrscheinlich hatte sie sich verbogen.
    Ich steckte sie in die Hosentasche, griff den Zylinder, und wenig später fand ich mich auf dem Residenzplatz wieder. Ich nahm die verletzte Hand aus der Tasche. Kaum zu glauben, wie stark kleine Wunden an entsprechender Stelle bluten können. Der ganze Handballen war dunkel gefärbt. Darin, gottlob, die Büroklammer.
    Dann trat ich hinaus. Niemand war zu sehen. Kein Verkehr auf der Straße. Nur ein paar geparkte herrenlose Fahrzeuge auf dem Kopfsteinpflaster. Perfekt – und jetzt ab. Schnell. Ich ging beherzten Schrittes durchs Oegg’sche Tor, um mich gleich danach im Dunkeln und auf Nimmerwiedersehen im Husarenwäldchen wie ein Dieb in finsterer Nacht zu verlieren. Ich achtete nicht auf mögliche Verfolger. Wieso auch. Die Sache war professionell und wie am Schnürchen gelaufen.
    Noch in derselben Nacht lieferte ich die Ware.
    Zu meiner Überraschung war Nikola nicht allein. An seiner Seite stand ein Mann, den ich nicht kannte.
    »Wer ist das?«, fragte ich Nikola misstrauisch und verärgert. Ein weiterer Zeuge meiner Tat. Das hatte mir gerade noch gefehlt.
    »Mach dir keine Sorgen«, antwortete er, »ich bin ein Freund. Du hast nichts zu befürchten.«
    Dieser selbst ernannte Freund war zweifellos ein Priester. Er trug einen gut geschnittenen schwarzen Anzug mit schwarzem Hemd. Zwischen den Revers erkannte ich eine feingliedrige Kette und den oberen Teil eines Kreuzes. Der Mann war bedeu-
    tend jünger als Nikola, vielleicht um die fünfzig, mit auffallend kurzen Haaren und guter Bräune. Man hätte ihn leicht mit einem Manager verwechseln können – wäre das Kreuz um seinen Hals nicht gewesen.
    »Hast du ihn?«, fragte Nikola ungeduldig mit Blick auf den Gegenstand in meiner Hand, dem ich mit einem T-Shirt den verräterischen Glanz genommen hatte.
    Ich zögerte. Mein Instinkt warnte mich. Geh, schnell, mach dich auf und davon und bring das Ding zurück, als wäre nichts geschehen. Du hast noch eine Chance.
    »Ist er das?«, fragte Nikola scharf und war drauf und dran, mir die Beute zu entreißen.
    »Ja, verdammt!«, entgegnete ich ihm.
    »Dann gib ihn her!«
    Ich blickte auf den Unbekannten. »Ich weiß nicht.«
    »Mach dir keine Sorgen um ihn«, besänftigte mich Nikola. »Er ist ein Freund, er wird uns nicht verraten. Gerade er nicht.«
    Auf Nikolas Lippen lag ein Lächeln. War mir die Pointe entgangen?
    Nikola trat näher zu mir heran, flüsterte mir ins Ohr.
    »Du bist schon morgen in Rom, wenn du mir den Zylinder jetzt gibst. Versprochen.«
    Das war der Schlüssel zu meinem neuen Leben. Doch hinter der Tür sollte sich etwas anderes verbergen als das, was ich mir erhoffte. Ich reichte Nikola den Zylinder und legte die mir zur Verfügung gestellten Utensilien auf den Tisch.
    Nikola und dieser Freund waren wie besessen. Sie öffneten den Zylinder, den ich nun im Licht bestaunen konnte, und förderten zwei vergilbte Papierrollen zutage. Sie überflogen hastig Zeile um Zeile, schüttelten vor Entsetzen

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