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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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offenes Dach?«, fragte Yasmina.
    »Nein, eine provisorische Holzdecke haben sie ja nach dem Bombenangriff schon draufgesetzt. Aber dann haben sie sich gefragt, was sie an die Decke machen wollen. Und dann kam der Stangl. Der hat gesagt, da kommt ’ne Holzdecke hin. Und jetzt haben wir den Mist.«
    »Ich verstehe nicht. Was wollen Sie mir damit sagen?«
    Der Alte schaute mich prüfend an, allmählich begreifend, dass ich nicht oft zu Gast in diesem Hause war. »Na, die Orgel. Die haben sie ja auch neu eingebaut. Eine gute Arbeit, aber die, die unter der Orgel sitzen, werden fast taub, und die weiter vorne am Hochaltar hören gar nichts mehr.«
    Er hielt ein, bis seine Erklärung fruchtete. Ich erwiderte nichts, ging weiter. Der Alte folgte.
    »Die Holzdecke schluckt alles hier drin. Egal, ob die Orgel was von hinten spielt oder der Bischof von vorne was erzählt. Das bleibt alles auf der Hälfte des Schiffes auf der Strecke.«
    »Das ist eine dumme Geschichte. Es würde aber erklären, wieso die Kirche sich so schwer tut, ihre Inhalte zu transportieren.«
    »Gott sei Dank nicht mehr lange.«
    »Wie?«
    »Na, der Bischof ist bald weg«, flüsterte der Alte und schaute sich verlegen um.
    »Wieso?«, fragte Yasmina.
    »Mit fünfundsiebzig muss er abdanken. Das ist Kirchengesetz. Endlich mal was Gscheits.«
    Der Alte kam näher, und sein galliger Mundgeruch stieg mir unangenehm in die Nase. »Um ganz ehrlich zu sein, mir sin froh, dass er endlich weg is. Der hat bei uns Würzburgern keinen guten Stand.«
    »Aber er ist doch ganz fortschrittlich mit seinen ökumenischen Gottesdiensten«, warf Yasmina zu meiner Überraschung ein.
    »Der und seine Ökumene«, höhnte er, »was wollen wir mit ’ner Ökumene? Und außerdem is des kei Würzburger.«
    »Sondern?«
    »A Paderborner.«
    »Na und?«
    »Ich sag Ihnen eins, mir sin gespannt auf den Nachfolger. Das Domkapitel soll ja einen vorschlagen, den dann der Papst bestätigen wird oder net. Des is ja des Dumme.«
    »Dumm?«
    »Mir wissen ja net, wen das Domkapitel vorschlagen wird. Dasin ja auch so Spezialisten drin. Sie verstehen, so mit der ganzen Bauerei. Wenn’s nach uns ginge, dann wär das einer, der näher an dem nächsten Papst dran ist als der jetzige beim alten.«
    »Sind die Würzburger denn so konservativ?«, fragte Yasmina. Der Alte musterte uns eingehend und fasste den Entschluss,
    sich und seine Würzburger zu erklären. »Konservativ ist doch gar net so schlecht. Zum Beispiel in der Schwangerenberatung. Ich bin nämlich strikt gegen Abtreibung. Die benutzen ja den Schein als Erlaubnis zum Kindsmord. Das is gut, dass der Papst das verboten hat. Der Bischof würd’s aber gerne weitermachen.«
    »Ah ja.«
    »Oder nehmen Sie zum Beispiel die Ausländer. Oben am Heuchelhof ist alles mit Weißrussen voll gestopft. Da spricht doch keiner mehr Deutsch. Und faul sind sie auch. Oder glauben Sie, ein Deutscher würde zum Sozialamt gehen?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na, im Krankenhaus zum Beispiel. Das hab ich mal beobachtet. Da sollte so ’ne Ausländerin einen Schacht reinigen. Das gehörte zu ihren Aufgaben. Aber die hat sich einfach geweigert. Sagte, nee, das macht sie nicht. Da hab ich den Besen genommen, und nach zwölf Minuten war der Schacht sauber. Nee, also wirklich, die Ausländer wollen nichts mehr arbeiten.«
    Ich zwang mich, nicht zuzuschlagen, sondern jedes einzelne Wort in mich aufzunehmen und für jenen Tag zu konservieren, an dem ich wirklich mal Heimweh nach Würzburg bekommen sollte, was natürlich Unsinn war und jenseits jeder Vorstellung lag.
    Ich ließ den Alten stehen, wollte keine Silbe mehr aus diesem scheinheiligen Munde hören und hielt auf die Krypta zu.
    »Warten Sie doch!«, rief mir Yasmina mit unterdrückter Stimme nach. »Ich hätte mich gerne noch ein wenig mit ihm unterhalten.«
    »Über das faule Ausländerpack oder das Zwangsgebären?«
    »Sie sind zynisch. Der Mann benutzt vielleicht ungeschickte Worte, aber es spiegelt sich der Geist der Gemeinde darin.«
    »Eben, und genau das kotzt mich an.«
    »Sie sind grob und arrogant. Das steht Ihnen nicht zu.«
    »Tun Sie mir bitte einen Gefallen: Hören Sie auf mit Ihrer
    Scheinheiligkeit. Wenn Sie glauben, dass ›faule Ausländer‹ und ›Erlaubnis zum Kindsmord‹ weniger schlimme Worte sind, dann gehören Sie haargenau zu dem gleichen Schlag, der hier sonntags die Hände faltet, die er vorher seiner Frau oder seinen Kindern ins Gesicht geschlagen hat. Das sind die gleichen

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