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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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herrenlos. Mit seiner Hilfe schaffte ich es zu dieser gottlosen
    Stunde, die knapp acht Kilometer nach Mullagh in bester irischer Manier zurückzulegen.
    Nach den ersten bergigen Kilometern schwenkte ich in eine Ebene ein, die von seltsamen Bäumen am Wegesrand gesäumt war. Wie dürre Geisterkrallen ragten die kargen Spitzen in den Himmel, während sich ein kräftiger, grüner Schmarotzer am Stamm entlang über das gesamte Baumwerk gelegt hatte und ihn wie ein wohliger Handschuh überzog.
    Eine Linkskurve brachte mich in das stille Nest Mullagh, wo ich gleich zu Beginn von zwei Pubs empfangen wurde.
    Der Rest des Örtchens zog sich unspektakulär dahin, bis ich die Kirche am Ortsrand erreichte. Ich stellte das Fahrrad am Zaun ab und ging über den kleinen Friedhof, der üppig mit irischen Steinkreuzen bestellt war, auf eine Statue zu, die mir nicht unbekannt war.
    Auf dem Sockel stand zu lesen: »Saint Kilian. Born Mullagh 640. Martyred Würzburg 689.«
    Darüber erhob sich jener Wandermönch in steinerner Kutte, mit Wanderstab und geschulterter Tasche, das noch jugendliche Gesicht mit festem Blick vorausgewandt.
    »Hier hat also alles begonnen«, sagte ich zu mir.
    »Nicht ganz«, antwortete eine Stimme. Neben mir stand ein Priester, unausgeschlafen, in schwarzer Amtstracht. »Ich bin Father Quinn. Ich habe Sie vom Fenster des Pfarrhauses auf den Kirchplatz gehen sehen. Ich nehme an, Sie sind Mr. Kilian, der Kommissar aus Würzburg?«
    Ich war wie vom Schlag getroffen. »Woher wissen Sie das?«
    »Mayfarth hat es mir gesagt. Wenn einer nach ihm fragen würde, dann dieser Kommissar mit dem Namen unseres Heiligen.«
    »Dann hat er eine visionäre Begabung. Noch vor ein paar Stunden wusste ich selbst nicht, dass ich hier stehen würde.«
    »Sie nicht, aber er.«
    Ich kam mir vor wie eine Puppe an einem Faden; am anderen Ende Mayfarth, der mich nach Belieben steuerte.
    »Lassen Sie uns ein paar Schritte gehen«, schlug der Priester vor. »Es wird ein schöner, sonniger Tag, und die Morgendämmerung ist unvergleichbar hier am Ende der Welt.«
    Er lächelte mir auffordernd zu und ging voran. Durch weite Hügellandschaften unter sattem Gras, durchbrochen von wilden Hecken und brusthohen Steinmauern entlang des Weges, die wie aufgepfropfte Nähte diesen grünen Mantel teilten, schritten wir zur Kiliansquelle nach Cloughballybeg. In unserem Rücken zog die Sonne auf und wärmte uns. Die dünnen Nebelbänke glitzerten in ihrem Schein, bevor sie sich wie von Geisterhand in nichts auflösten und einen freien Blick in die Auen erlaubten. Von dort drangen Hundegebell, blökende Schafe und ein bestimmender Pfiff zu uns herauf. Aufgeschreckt stieg eine Schar Vögel in die Luft, um sich nach einem langen Bogen auf einer verfallenen Steinhütte niederzulassen.
    »Dr. Mayfarth hat mich gebeten, Sie zur baldigen Rückkehr nach Würzburg aufzufordern«, begann Quinn. »Er sagte, dass Sie hier nicht finden werden, wonach Sie suchen. Das Geheimnis um den toten Priester müssten Sie dort lösen, nicht in Mullagh und nicht in Tallaght.«
    »Dann haben Sie Mayfarth getroffen?«
    »Ja, er war hier letzte Nacht.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Weitergefahren, noch in der Nacht. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wohin, denn ich weiß es selbst nicht.«
    »Wieso sollte ich Ihnen glauben? Vielleicht versteckt er sich in Ihrem Haus und wartet nur darauf, dass Sie mich abwimmeln.«
    »Ich bin Priester, ich lüge nicht.«
    Ich verkniff mir eine zynische Bemerkung. Auch Nikola sollte ich vertrauen, jetzt war er tot und ich wurde des Mordes an ihm verdächtigt. »Gut, gehen wir vorerst davon aus, dass ich Ihnen glaube. Wieso haben Sie Mayfarth aus Würzburg hierher gerufen?«
    »Weil etwas sehr Wichtiges in Gefahr ist. Es ist seine Aufgabe, es zu schützen.«
    »Was ist es?«
    »Nennen wir es ein ›Etwas‹ aus einer vergessenen Zeit.«
    Ich unterbrach ihn. »Bitte keine Märchen, Father. Ich will die Wahrheit hören.«
    »Genau darum geht es, um nichts anderes als die Wahrheit.« Wir gelangten an einen See, wie man ihn aus den Erzählungen um den Zauberer Merlin kennt. Der Zeit und allen Sorgen dieser Welt entrückt, lag er umgeben von Bäumen sanft in seinem Bett. Der Wind hinterließ feine Muster auf der Oberfläche, die von majestätischen Schwänen sanft durchkreuzt wurden. In ihrem Kielwasser die Spuren der Gegenwart, wenig später leise verklungen.
    Quinn setzte sich auf eine Anhöhe ins saftige Gras neben einen Steinbau, dessen Gitter

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