Die Zeit-Odyssee
meinen Verbleib zu verzichten, halte ich es
für eine höfliche Geste und diplomatisch klug,
auszuharren und mit den alten Knaben zwecks besseren
Kennenlernens ein wenig zwanglos zu plaudern. Keine Sorge, ich
kann Wein vertragen. Meine Jungs bleiben auch – aber wenn
ihr vier euch aus dem Staube machen wollt…«
Bisesa nahm das Angebot sofort an, und auch Ruddy und Josh
beschlossen zu gehen – dennoch warf Ruddy einen langen
neiderfüllten Blick zurück in das schimmernde Innere
des königlichen Zeltes, wo sich ein wohlgerundetes junges
Mädchen, gehüllt in nichts als einen bodenlangen
Schleier, anschickte zu tanzen.
Direkt vor dem Zelt traf Bisesa auf Philipp, Alexanders
griechischen Arzt, der auf sie gewartet hatte. Eilig holte sie de
Morgan, der zwar schon reichlich angeheitert war, jedoch immer
noch in der Lage zu übersetzen.
Philipp sagte: »Der König weiß, dass ihr von
seinem Tod gesprochen habt.«
»Oh! Das tut mir Leid!«
»Und er wünscht, dass ihr ihm sagt, wie er sterben
wird.«
Bisesa zögerte. »Wir kennen nur eine vage
Beschreibung. Kaum mehr als einen Mythos, was mit ihm geschehen
ist…«
»Er wird bald sterben?«, hauchte Philipp.
»Ja. Möglicherweise.«
»Wo?«
Wieder zögerte sie. »In Babylon.«
»Dann wird er jung sterben, wie Achilles, sein
Heldenbild. Das passt zu Alexanders Person.« Philipp warf
einen Blick auf das königliche Zelt, wo dem Lärm nach
zu urteilen die Ausschweifungen in Schwung kamen. Seine Miene war
voll Sorge – und Resignation. »Nun, das alles ist
keine Überraschung. Er trinkt so, wie er kämpft:
für zehn Männer. Und vor kurzem hat ihn der Treffer
eines Pfeiles in die Lunge fast getötet. Ich fürchte,
er wird sich nicht genug Zeit gönnen, um die Wunde ausheilen
zu lassen…«
»Aber er will nicht auf seinen Arzt
hören.«
Philipp lächelte. »Manche Dinge ändern sich
wohl nie.«
Bisesa fasste einen raschen Entschluss. Sie kramte in dem
Beutel mit dem Wichtigsten aus ihrer
Überlebensausrüstung, den sie immer unter dem Overall
trug, und holte einen Streifen Malariatabletten hervor, zeigte
Philipp, wie man die Pillen aus den Plastikbläschen
drückte und sagte: »Dein König soll diese Pillen
einnehmen. Niemand weiß genau, wie er ums Leben kam; die
Wahrheit liegt unter Gerüchten, Konflikten und falscher
Geschichtsschreibung verborgen. Doch viele sind der Meinung, er
würde an der Krankheit sterben, die diese Arznei verhindern
kann.«
Philipp runzelte die Stirn. »Warum gibst du mir
dies?«
»Weil ich glaube, dass euer König für unser
aller Zukunft von Wichtigkeit sein wird. Und falls er stirbt,
wird es jedenfalls nicht auf diese Weise sein.«
Philipp schloss die Hand um den Pillenstreifen und
lächelte. »Ich danke dir, gute Dame. Aber sag
mir…«
»Ja?«
»Wird man sich denn seiner erinnern, in der
Zukunft?«
Erneut dieses sonderbare Dilemma des Zuvielwissens –
verstärkt durch lange Sitzungen mit ihrem Telefon, als
Bisesa sich alles über Alexanders Leben berichten
ließ. »Allerdings«, antwortete sie, »man
erinnert sich sogar seines Pferdes!« Bucephalus war in
einer Schlacht am Fluss Jhelum getötet worden. »In
mehr als tausend Jahren werden die Herrscher im Land jenseits des
Oxus behaupten, dass ihre Pferde einst alle Hörner auf dem
Kopf hatten, weil Bucephalus sie gezeugt hätte, als
Alexander dort durchzog.«
Philipp war entzückt. »Alexander hatte für
Bucephalus einen Kopfschmuck mit goldenen Hörnern anfertigen
lassen, den das Ross trug, wenn es in die Schlacht ging. Gute
Dame, falls der König je am Rande des Todes
steht…«
»Dann darfst du es ihm sagen.«
Als er gegangen war, wandte sie sich an de Morgen. »Und Sie behalten das für sich!«
Er spreizte die Finger. »Selbstverständlich! Wir
müssen Alexander am Leben erhalten! Wenn wir hier
festsitzen, dann könnte er für uns tatsächlich die
einzige Hoffnung darstellen, irgendeinen Bruchteil unserer
Zukunft zu retten. Dennoch, Bisesa – warum, um alles in der
Welt, haben Sie ihm diese Pillen nicht verkauft? Alexander
ist tausendmal reicher als jeder andere Mensch seiner Zeit! Was
für eine ungenutzte Gelegenheit…!«
Lachend ging sie weg.
{ 24 }
DIE JAGD
Endlich war alles zur Battue bereit.
Ein enorm großes Gebiet war für die Jagd bestimmt
worden, die wie eine militärische Übung ablief.
Einheiten des Mongolenheeres waren in einem langen Kordon
aufgereiht, jede davon
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