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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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steinige Ebene erstreckte sich in alle Richtungen,
bar jeglichen Lebens, wenn man von ein paar spärlichen
Grasbüscheln absah. In der Ferne, am Horizont, erhoben sich
schneebedeckte Berge. Am Fuß der Berge machte die Sucherin
einen Streifen Grün aus. Die alten Lebensgeister
rührten sich wieder: Wald: Wenn sie es bis dorthin
schafften, dann könnten sie vielleicht andere ihrer Art
finden!
    Aber die Brise änderte sich und kam jetzt aus Norden. Die
Brise roch nach Eis, und die Sucherin verlor den Mut.
Plötzlich sehnte sie sich nach den Kochgerüchen, dem
Klappern von Geschirr und Waffen, den hohen, kehligen Stimmen der
Soldaten. Zu viel Zeit hatte sie in ihrem Käfig verbracht
– er fehlte ihr.
    Dem Klammerchen hingegen war die Zögerlichkeit seiner
Mutter fremd. Es lief nach Schimpansenart auf allen vieren hinaus
und machte sich sofort daran, das steinige Terrain zu
untersuchen, dessen Beschaffenheit viel interessanter war als der
kahl gefegte, flach gestampfte Boden des Käfigs. Da war ein
Kiesel, der genau in seine Hand passte, und dort ein trockener
Halm, der sich ganz leicht falten, biegen und verdrehen
ließ!
    Den Kiesel in der Hand streckte das Klammerchen die Beine,
stand aufrecht da und starrte über die Steinwüste
hinüber zu den Bergen und dem Eis.
     
    Im Norden sammelte sich die Kälte. Die neue Vulkaninsel
im Atlantik hatte den Golfstrom abgelenkt, diesen Zufluss
südlichwarmen Wassers, der dem nördlichen Europa
jahrtausendelang ein mildes Klima beschert hatte, und der Verlust
dieser Wärmequelle war selbst so weit im Süden wie
Babylonien bereits zu spüren. Und nun sollte es noch
schlimmer werden; dieses Jahr würde einen frühen Herbst
bringen, und in der Mitte des Winters würden gewaltige
arktische Superstürme wie Furien über den Kontinent
rasen und in wenigen Tagen so viel Schnee abladen, wie
früher im Laufe von fünf oder zehn Jahren
zusammengekommen wäre.
    Vor der Diskontinuität war das Eis, ausgehend von seinen
Rückzugsgebieten an den Polen, in komplexen Zyklen, die von
den subtilen Schwankungen der Erdbahn um die Sonne bestimmt
wurden, gekommen und gegangen. Mir hingegen, diese neue Welt, die
aus den Fragmenten der alten zusammengewürfelt war, hatte
anfangs unschlüssig geschwankt, sich dann mit dem Abklingen
der Bewegung jedoch beruhigt und ein neues Zyklenmuster
hervorgebracht: ein Muster, das der Ausbreitung des Eises auf
kurze Sicht Vorschub leistete. Es sollte nur ein Jahrzehnt
dauern, bis das Eis sich bildete, und ein weiteres, bis es sich
so weit nach Süden ausbreitete, dass es London, Berlin und
Manhattan erreichte.
    Und später sollte es zu noch drastischeren
Veränderungen kommen. Seit seiner Entstehung hatte sich der
Planet laufend abgekühlt, und das Hochströmen der Hitze
aus seinem Innern hatte den Erdmantel, auf dem die Kontinente
trieben, in Bewegung gehalten. Doch nun hatte die
Diskontinuität Störungen im Verhalten des
flüssigen Herzens von Mir erzeugt, was schließlich zu
einem neuen Strömungsmuster führen musste – doch
für den Moment war es, als hätte man einen Deckel auf
einen riesigen Kochtopf geschraubt.
    Unter den Kontinenten hatte das Material des Mantels begonnen
anzuschwellen und sich zu heben. Die Erde war ohnehin nie eine
perfekte Kugel gewesen, und nun wuchsen Beulen aus den Seiten von
Mir wie Lehmbatzen, die an einem Kreisel klebten. Dereinst
würden sich die Kruste und der oberste Mantel vom Kern
lösen, und der deformierte Planet würde sich neu
stabilisieren müssen, indem er diese Beulen von der
Rotationsachse wegschob. Wenn sich also die großen
Kontinente Richtung Äquator in Bewegung setzten, würden
sich die Meeresströmungen erneut verändern, der
Meeresspiegel würde hunderte Meter steigen oder sinken, und
dramatische Klimaveränderungen wären die Folge.
    Während der langen Auskühlphase im Innern des
Planeten würden für das Leben auf seiner
Oberfläche schwere Zeiten anbrechen. Aber die Menschen waren
beweglich, und so bereiteten sich die Bürger von Chicago
schon auf eine allgemeine Auswanderungswelle Richtung Süden
vor. Viele Menschen würden überleben.
    Genau wie die Affenmenschen.
    Das Klammerchen war nicht mehr dasselbe wie vor der Inspektion
durch das Auge. Das Erforschen seines Körpers und seines
Geistes war darauf ausgelegt, seine Fähigkeiten
aufzuzeichnen – festzustellen, welchen Platz es in dem
großen Spektrum des Lebens auf dieser blauen

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