Die Zeit-Odyssee
sich von einem
Zyklus bis zum nächsten exakt wiederholen.«
»Doch dieser Gedanke widerstrebte Aristoteles«,
entgegnete Alexander, der ja, wie Bisesa bei diesen Worten
einfiel, ein Schüler dieses großen Philosophen gewesen
war. »Wenn ich ebenso vor dem Fall von Troja lebe wie
nachher – was verursachte dann diesen Krieg?«
»Dennoch«, fuhr Hephaistion fort, »wenn
etwas Wahres an der Vorstellung von Zyklen ist, dann können
zahlreiche geheimnisvolle Dinge erklärt werden. Zum Beispiel
Orakel und Propheten: Falls die Zeit tatsächlich einem
Zyklus unterworfen ist, dann wären Prophezeiungen ebenso
sehr eine Frage der Erinnerung an die dunkelste Vergangenheit wie
die einer Vision der Zukunft. Und die seltsame Vermischung der
Zeiten, wie wir sie gegenwärtig erleben, erscheint weit
weniger unerklärlich. Stimmst du mit mir überein,
Aristander?«
Der alte Hellseher neigte den Kopf.
Und so nahm die Diskussion ihren Fortgang unter Alexander,
Hephaistion und Aristander – oftmals viel zu temporeich
für die brüchige Kette von Übersetzern.
Ruddy war hingerissen. »Wie wundervoll doch diese
Menschen sind!«, wisperte er.
»Genug der Philosophie«, unterbrach Eumenes,
praktisch wie immer, schließlich den Diskurs und forderte
die Versammelten auf, ihr Augenmerk auf das zu richten, was als
Nächstes zu tun anstand.
Hauptmann Grove meldete sich mit einem Vorschlag. Er hatte
einen Atlas mitgebracht – ein antiquiertes Ding, selbst
nach seinen Begriffen, das aus einem viktorianischen Schulzimmer
stammte – und schlug ihn nun auf.
Den Mazedoniern waren Landkarten und deren Entwurf nichts
Neues; Alexander hatte bei all seinen Feldzügen griechische
Landvermesser und Zeichner dabei, um die Länder
kartografieren zu lassen, die er erkundete und eroberte und von
denen viele der antiken griechischen Welt, der er entstammte,
kaum bekannt waren. Die Mazedonier zeigten sich daher sofort
höchst interessiert an dem Atlas und drängten sich
aufgeregt um das kleine Buch. Sie waren verblüfft von der
Druckqualität, der Regelmäßigkeit der Buchstaben
und von den bunten Farben. Sie fanden sich auch ohne besondere
Probleme damit ab, dass ihre um das Mittelmeer angeordnete Welt
nur einen kleinen Teil des Planeten darstellte, und dass dieser
Planet eine Kugel war, wie von Pythagoras Jahrhunderte vor
Alexanders Zeit vorhergesagt. Aristoteles, Alexanders Lehrer,
hatte über dieses Thema ein ganzes Buch geschrieben.
Bisesa hingegen amüsierte sich heimlich über die
riesigen Landgebiete, die rosa eingefärbt waren und das
britische Imperium auf seinem Zenith zeigten.
Schließlich verlangte Alexander ziemlich ungehalten,
dass der Atlas zu seinem Thron gebracht werden sollte. Doch er
war bestürzt, als die Umrisse seines Reiches auf eine Karte
der ganzen Erde aufgetragen wurden. »Ich vermeinte, eine
mächtige Fußspur auf der Welt zu hinterlassen, doch da
gibt es so vieles, was ich noch nie geschaut habe!«, rief
er.
Mit dem Atlas als Erklärungshilfe nannte Hauptmann Grove
seinen Vorschlag: dass sich die beiden Streitkräfte vereint
auf den Weg nach Babylon machen sollten.
Abdikadir versuchte, seine Ausführungen über die
Funksignale, die von der Sojus aufgefangen worden waren, in einer
verständlichen Form vorzubringen, was, wie vorauszusehen
war, misslang, bis Josh und Ruddy mit fröhlichen Metaphern
aufwarteten: »Wie der Ton unhörbarer
Trompeten!«, sagte Ruddy versuchsweise, »oder das
Aufblitzen unsichtbarer Spiegel…«
»Und das einzige Signal, das wir entdecken konnten, kam
von hier«, sagte Abdikadir. Er zeigte auf Babylon.
»Dieser Ort stellt unsere größte Chance dar,
eine Erklärung zu erhalten, was mit uns und der Welt
geschehen ist.« All das wurde an Alexander
weitergeleitet.
Der Name Babylon weckte auch bei den Mazedoniern die
Lebensgeister. So wie die Briten hatten auch sie seit vielen
Tagen keine Nachrichten aus der Heimat oder von irgendeinem
anderen Ort jenseits des Industales erhalten, und langsam erhob
sich die Frage, wo sie sich niederlassen sollten, falls auch
weiterhin von nirgends ein Lebenszeichen kam. Alexander hatte
stets geplant, Babylon zur Hauptstadt eines Reiches zu machen,
das sich vom Mittelmeer bis nach Indien erstreckte und von See-
und Flussrouten zusammengehalten wurde. Und dieser Wunschtraum
konnte immer noch wahr werden, selbst mit jenen Mitteln, die dem
König nunmehr verblieben waren – auch wenn der Rest
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