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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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erschrockenes
Geschrei, und einige bebten vor Angst, während unten die
große Katze mit zuckenden Hinterbeinen und einem Kopf, der
zu einer blutigen Masse explodiert war, auf dem staubigen Boden
lag. Dschingis Khans Pferd begann zu scheuen, aber der Herrscher
zuckte mit keiner Wimper.
    Es war klarerweise Sables Werk. Aber sie hatte die Pistole
bereits wieder versteckt. Sie breitete die Arme aus. » Tengri! Ich bin die Sendbotin des Himmels, herabgesandt,
um dich zu retten, o Erhabener, denn du bist ausersehen, ewig zu
leben und die Welt zu beherrschen!« Sie wandte sich an den
furchtsam winselnden Basil an ihrer Seite. Ȇbersetze,
du Hammel, oder es ist dein Kopf, den ich als Nächstes
wegpuste!«
    Dschingis Khan starrte herauf zu ihr.
     
    Das Abschlachten der Tiere innerhalb der Absperrung dauerte
Tage. Es war zwar Jagdbrauch, stets einige der Tiere
freizulassen, doch diesmal, da der Großkhan selbst knapp
dem Tode entronnen war, erlaubte man keinem, am Leben zu
bleiben.
    Kolja betrachtete die Überreste aufmerksam. Die
Köpfe und Stoßzähne einiger Mammuts wurden dem
Herrscher präsentiert, dazu ein ganzes Rudel Löwen von
einer Größe, die nie zuvor jemand zu Gesicht bekommen
hatte, und Füchse mit wunderschönem schneeweißem
Fell.
    Und noch etwas hatte sich in den Netzen der Mongolen
verfangen: eine kleine Familie nackter, menschenähnlicher
Wesen, ein Mann, eine Frau und ein Junge, die, obwohl
äußerst schnelle Läufer, es nicht geschafft
hatten zu entkommen. Der Mann wurde sofort erschlagen, die Frau
und den Jungen brachte man in Ketten vor die allerhöchsten
Anwesenden. Die beiden waren mit einer Schmutzschicht bedeckt und
schienen keine Sprache zu haben. Die Frau wurde den Soldaten zu
ihrem Zeitvertreib überlassen, und das Kind hielt man einige
Tage lang in einem Käfig. Doch ohne seine Eltern wollte der
Junge nicht essen und wurde zusehends schwächer.
    Kolja sah ihn nur ein einziges Mal aus der Nähe, und da
hockte er auf dem Boden des Käfigs; dennoch konnte Kolja
erkennen, dass er groß war – größer als
alle Mongolen, sogar größer als Kolja –, aber
Gesicht und Körper wirkten immer noch unfertig und zu einem
Kind gehörig. Seine Füße waren schwielig und die
Haut wettergegerbt. Er hatte kein Quäntchen Fett auf dem
Leib, nur harte Muskeln, und sah aus, als könnte er einen
ganzen Tag laufen, ohne auch nur einmal innezuhalten. Oberhalb
seiner Augen verlief ein dicker Knochenwulst, doch als der Junge
ihn aus dem Käfig heraus ansah, stellte Kolja
überrascht fest, dass seine Augen blau waren, hellblau wie
der Himmel. Hier blickte ihm Intelligenz entgegen – aber
keine menschliche Intelligenz; es war eher eine Art wissende
Leere, wie in den Augen eines Löwen.
    Kolja versuchte, mit Sable darüber zu sprechen.
Vielleicht war das ja ein Vormensch, ein Homo erectus möglicherweise, der sich unglücklicherweise in der
Diskontinuität verfangen hatte. Aber Sable war nirgends zu
finden.
    Als Kolja wiederkam, war der Käfig verschwunden. Er
erfuhr, dass der Junge gestorben und sein Leichnam mit den
Überresten der Jagdbeute verbrannt worden war.
     
    Sable tauchte um die Mittagszeit des nächsten Tages auf.
Yeh-lü und Kolja waren mitten in einer ihrer strategischen
Sitzungen.
    Sable trug eine Mongolenbluse der kostbaren, reich bestickten
Sorte, wie sie auch in der Familie des Khans üblich war;
aber sie hatte auch grell orangefarbene Fetzchen Fallschirmseide
im Haar und um den Hals – offenbar als Hinweis auf ihre
Herkunft aus höheren Sphären. Sie sah wild aus,
außer Kontrolle, ein Geschöpf weder aus dieser Welt
noch aus der anderen.
    Yeh-lü lehnte sich zurück und fixierte sie –
kühl abwägend, auf der Hut.
    »Was ist mit dir passiert?«, fragte Kolja auf
Englisch. »Seit diesem Schuss habe ich dich nicht mehr zu
Gesicht bekommen!«
    »Spektakulär, wie?«, keuchte sie. »Und
es funktionierte.«
    »Was meinst du damit, es funktionierte? Dschingis
hätte dich umbringen lassen können, weil du sein
Vorrecht bei der Jagd ignoriert hast!«
    »Hat er aber nicht. Er ließ mich in seine Jurte
holen, dann schickte er alle raus, bis bloß wir beide
zurückblieben. Ich habe den Eindruck, jetzt glaubt er
wirklich, dass ich von seinem Tengri her komme. Also, er
hatte schon stundenlang getrunken, ehe ich kam, und so kurierte
ich seinen Kater im Vorhinein – ich küsste seinen
vollen Weinbecher. So konnte ich ihm ein paar Aspirin

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