Die Zeit-Odyssee
der Welt, die er gekannt hatte, nicht mehr existierte.
Aus all diesen Gründen schien die beste Vorgangsweise auf
der Hand zu liegen. Als der Konsens sich herauskristallisierte,
packte Ruddy die Begeisterung. »Babylon! Bei Gott! Wohin
wird uns dieses Abenteuer noch führen?«
Die Konferenz kam bald zu den Einzelheiten und
beschäftigte sich mit der zeitlichen Planung und Fragen der
Logistik. Das Tageslicht draußen begann zu schwinden, die
zwischen den Anwesenden zirkulierenden Diener brachten mehr Wein,
und der Umgangston unter den Versammelten wurde ein wenig
rauer.
Als sie sich unauffällig ein wenig von den Mazedoniern
absondern konnten, steckten Josh, Abdikadir, Ruddy und Bisesa
rasch die Köpfe zusammen.
»Wir müssen etwas für Sable, Musa und Kolja
dalassen«, sagte Bisesa, »für den Fall, dass sie
es tatsächlich bis hierher schaffen.« Sie diskutierten
Markierungen auf dem Boden, wie große Pfeile oder Haufen
aus Steinen, die mit Botschaften versehen sein könnten
– ja sogar Funkgeräte für die gestrandeten
Kosmonauten.
»Und seid ihr glücklich darüber, dass wir
unser Schicksal so eng mit dem Alexanders
verknüpfen?«, fragte Abdikadir.
»Aber natürlich!«, sagte Ruddy
augenblicklich. »Aristoteles hat diese Leute die Offenheit
des Geistes und des Herzens gelehrt und ihnen den Wunsch
mitgegeben, mehr über die Welt zu erfahren. Alexanders
Reisen waren mindestens ebenso sehr Forschungsabenteuer wie
Eroberungsfeldzug…«
»Kapitän Cook mit einer
Fünfzigtausend-Mann-Armee«, bemerkte Abdikadir.
»Und ganz gewiss«, fuhr Ruddy fort, ohne auf ihn
zu achten, »war es diese Offenheit, die ihnen die
Fähigkeit verlieh, die Sitten und Gebräuche fremder
Völker zu akzeptieren und so ein Imperium aufzubauen, das
Jahrhunderte überdauert und die Zivilisation tausend Jahre
vorangetrieben hätte, wäre da nicht der
frühzeitige Tod Alexanders gewesen.«
»Aber hier«, warf Josh ein, »ist
Alexander nicht tot…«
Bisesa bemerkte, dass Alexander sie beobachtete. Er beugte
sich zurück und flüsterte dem Eunuchen etwas zu; sie
fragte sich, ob er wohl gehört hatte, was Josh gesagt
hatte.
»Ich kann mir jedenfalls kein schöneres
Vermächtnis vorstellen«, beendete Ruddy seinen
Vortrag, »als zweitausend Jahre oder mehr vor unserer Zeit
in Europa und Asien so etwas wie ein ›britisches
Imperium‹ geschaffen zu haben!«
»Aber Alexanders Reich«, gab Josh zu bedenken,
»hatte nichts mit Demokratie oder griechischen Werten zu
tun! Er beging zahllose Gräueltaten – er brannte
Persepolis nieder, um nur eine der Städte zu nennen, die er
in Schutt und Asche legte. Für jeden Abschnitt seiner
endlosen Feldzüge bezahlte er mit dem Raubgut aus dem
letzten. Und das Auslöschen eines Lebens galt ihm nicht mehr
als das Auslöschen eines Zündholzes – nach
einigen Schätzungen war es eine Dreiviertelmillion Tote, die
seinen Weg pflasterten!«
»Er war eben ein Mensch seiner Zeit«, sagte Ruddy
zynisch und unerbittlich wie ein Mann doppelten Alters.
»Was kannst du da erwarten? In seiner Welt leitete sich
Ordnung nur von der Oberherrschaft ab: Innerhalb der Grenzen des
Reiches gab es Kultur, Ordnung, Chance auf Zivilisation;
außerhalb hingegen existierten nur Barbaren und Chaos. Nur
auf diese Art konnte man die Dinge unter Kontrolle halten. Und
seine Leistungen hatten Bestand, auch wenn sein Imperium zerfiel.
Er breitete die griechische Sprache von Alexandrien bis Syrien
aus wie Marmelade auf Toast. Als dann die Römer Richtung
Osten drängten, fanden sie keine Barbaren vor, sondern
Menschen, die griechisch sprachen. Ohne das griechische Erbe
hätte es das Christentum schwer gehabt, sich außerhalb
von Judäa zu verbreiten!«
»Möglich«, entgegnete Abdikadir grinsend.
»Aber, Kipling, ich bin kein Christ!«
Hauptmann Grove trat hinzu. »Ich nehme an, die
geschäftliche Seite der Zusammenkunft ist erledigt«,
sagte er leise. »Famos, dass wir so rasch zu einer Einigung
kamen. Bemerkenswert, wie viele Gemeinsamkeiten uns verbinden. Es
scheint, dass sich in zweitausend Jahren nichts Grundlegendes
geändert hat, wenn es darum geht, eine Armee von einem Ort
zum anderen zu verlegen… Hören Sie, ich bekomme den
starken Eindruck, die Gesellschaft hier fängt gerade an, ein
wenig auszuarten. Ich habe von Alexander und seinen
Ausschweifungen gehört«, flüsterte er mit einem
mitleidigen Lächeln, »und so sehr ich es auch
vorzöge, auf
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