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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ist, dass Prophezeiungen in Eurer Familie immer eine besondere Rolle gespielt haben …«
    Harry wollte davon nichts hören.
    Sie verfielen in Schweigen, während die nur vom Blöken der Schafe widerhallende Landschaft Englands an ihnen vorbeizog.

V
    In Yorks Rechteck oft ramponierter, oft reparierter Mauern herrschte geschäftiges Treiben. York war eine Handelsstadt, wurde aber von einer riesigen Kathedrale beherrscht, deren neueste, erst ein paar Jahre alte Bauabschnitte aus frisch gehauenem Stein leuchtend hell und klar konturiert waren. Geoffrey sagte, man habe das Münster am ehemaligen Standort eines römischen Militärhauptquartiers errichtet; nach den Römern sei die Stadt eine Art Handelszentrum der Wikinger geworden, eine Tradition, die noch immer spürbar sei. Den Steinen seien historische Schichten eingeschrieben, so Geoffrey, Schichten, welche die Gegenwart prägten.
    Sie verbrachten die Nacht in der Halle von Harrys Kaufmannsgilde. Es war ein imposantes Gebäude; an den steinernen Wänden hingen religiöse Gemälde, und lange Tisch ächzten unter Speisen und Getränken. Harry wurde freundlich empfangen. Es gab viele geschäftliche Angelegenheiten zu erörtern, denn Harry kam nur selten in diese Gegend, und es war eine große Erleichterung für ihn, Geoffrey, der Geschichte und der komplizierten Vergangenheit seiner Familie entrinnen und in die reale Welt der Waren und Preise
eintauchen zu können. Geoffrey entschuldigte sich und setzte sich zu den Lehrjungen im Bedienstetenteil der Halle. Später fand Harry ihn im Keller, wo die Gilde ein kleines Hospital für die Armen betrieb, von denen man erwartete, dass sie für die Seelen ihrer Wohltäter beteten.
    Am Morgen stiegen sie wieder auf ihren Wagen und machten sich auf den Weg zu Harrys Schwester.
    Die Kirche, der sie sich angeschlossen hatte – ebenfalls eine, die der heiligen Agnes geweiht war –, befand sich ein paar Meilen nördlich der Stadtmauern. Sie war ein kleiner, bescheidener Bau im Zentrum eines Dorfes, errichtet aus Steinen, die in einer viel größeren, verlassenen Siedlung geborgen worden waren, deren Ruinen überall in der Umgebung zu finden waren. Die Kirche selbst war im Perpendikularstil erbaut und recht neu. Aber Harry sah, dass sie auf älteren Fundamenten aus geschwärztem Stein ruhte – vielleicht eine von den Normannen niedergebrannte sächsische Kapelle; davon hatte es in dieser Gegend viele gegeben.
    Sie wurden vom Gemeindepriester begrüßt, einem freundlichen, älteren Mann namens Arthur. Arthur hatte sich ursprünglich mit der Bitte an Geoffrey gewandt, ihm bei der Erfüllung von Agnes’ Wünschen zu helfen. »Aber Ihr müsst wissen, dass wir sehr froh darüber sind, Eure Schwester bei uns zu haben«, erklärte er Harry. »Sehr froh. Sie bringt die Liebe Gottes in unser kleines Leben …«
    Geoffrey führte Harry nicht zur Tür der Kirche, wie
er erwartet hatte, sondern zu einer Seitenmauer. Hier ragte ein Anbau aus der Kirchenmauer hervor, eine Art Zelle ohne Tür und Fenster, bis auf einen schmalen Schlitz.
    Und hier, sagte Geoffrey, sei seine Schwester: eingemauert in der Zelle, in der sie ihr ganzes Leben verbringen werde. Harry starrte entsetzt darauf.
    Geoffrey berührte ihn an der Schulter. »Ihr müsst versuchen zu verstehen. Eure Schwester hat dieses Leben selbst gewählt. Und sie dient ihren Leuten. Wie der Pater gesagt hat, die meisten Gemeinden sind stolz, eine Einsiedlerin bei ihrer Kirche zu haben.«
    Eine Stimme schwebte aus dem Fensterschlitz herauf. »Geoffrey Cotesford? Seid Ihr das?«
    Der Ton war tiefer und weicher als damals, aber er war unverkennbar. Harrys Herz schlug heftig; ihm war nicht klar gewesen, wie sehr er seine kleine Schwester vermisst hatte.
    »Ja, ich bin’s, Geoffrey.«
    »Ich wusste, Ihr würdet wiederkommen.«
    »Euer Vertrauen in Euren Bruder war ebenfalls gerechtfertigt.«
    Sie schnappte nach Luft. »Harry?«
    Harry zwang sich zu sprechen. »Ich bin hier, Agnes.«
    »Dann komm an mein Fenster.«
    Harry kniete sich hin. Das Fenster war ein Schlitz, gerade groß genug, um Nahrung, Abfälle und Exkremente hindurchzureichen. Nur ein wenig Licht sickerte in die Zelle. Er sah ein anderes Fenster in der gegenüberliegenden
Mauer, durch das die Einsiedlerin in die Kirche schauen konnte. Der Raum war schlicht eingerichtet, mit einem Bett, einer Bank, einem Tisch, einem Kruzifix an der Wand. Auf dem Tisch lagen zwei Bücher, eine in Leder gebundene Bibel und ein Exemplar des Ancrene

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