Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
kaum jemand all diese Kleinstaaten mehr hatte zählen können; es mochten drei Dutzend gewesen sein. Doch wie es in der Politik und im Krieg so ist, hatten die taifas sich gezankt wie Fische in einem Teich und einander aufgefressen, bis nur mehr ein halbes Dutzend übrig waren.
Je weiter sie nach Süden kamen, desto kahler, trockener und staubiger wurde das von der Hitze ausgedörrte Land. Und doch erweckten die Bewässerungskanäle es in riesigen, breiten Streifen zu grünem Leben. Sihtric zufolge kontrollierten »Wassergerichte« in den Städten die Instandhaltung der Bewässerungssysteme, die wertvolles Gemeindeeigentum darstellten. Der Boden schien sogar noch fruchtbarer zu sein als in England,
wo die Bauern mit schweren Pflügen schufteten. Aber schließlich war dieses Land nicht so, wie Gott es geschaffen hatte, sondern es war von Menschen bearbeitet worden, von Menschen, die aus Wüsten kamen und wussten, wie man aus dem kleinsten Tropfen Feuchtigkeit Leben gewann.
An einem Ort, wo sie für die Nacht Halt machten, bezahlte Marwam einem Bauern ein paar Münzen, damit sie ihre Decken im Schatten von Obstbäumen ausbreiten konnten. Solche Früchte hatte Robert noch nie gesehen; sie waren schwer und von leuchtender Farbe. Moraima erklärte ihm, es seien Orangen , ein arabischer Name für eine von den Mauren eingeführte Frucht. Sie kletterte auf einen Baum, pflückte ein paar Exemplare und zeigte ihm, wie man die Schale entfernte. Als er in die dicken Spalten biss, quoll Saft heraus und lief ihm übers Kinn. Die Orange war so bitter, dass sich seine Zunge einrollte, aber der Geschmack war wie Licht in seinem Mund.
So aßen sie ihre Orangen, das Gesicht mit klebrigem Saft und kleinen Stücken der Schale bekleckert, und lachten über einander. Es war ein schlichter, wortloser Augenblick zwischen ihnen, den selbst der treulose Kameltreiber nicht verderben konnte.
V
Endlich erreichte die Gruppe Córdoba.
Auf dem Weg zu dem von einer Mauer umgebenen Stadtkern durchquerten sie das landwirtschaftlich genutzte Umland. Am äußersten Rand erstreckten sich weitläufige, erstaunlich grüne Anwesen, auf denen hängende Gärten und Zitrushaine die Flussufer säumten und Gebäude wie würfelförmige Juwelen in der Sonne glänzten. Diese Anwesen ähnelten den »villas« der längst verschwundenen Römer, meinte Sihtric. Er nannte sie munyas , Landgüter.
Dann ritten sie auf den alten Straßen durch die Vororte der eigentlichen Stadt – Ansammlungen von Lehmziegelhäusern, die sich am Straßenrand drängten. Sihtric erklärte, die Stadt sei längst über ihre römischen Mauern hinausgewachsen, und etliche ihrer unabdingbaren Teile seien hierher verpflanzt worden: Wohngebiete, Märkte, Badehäuser, Handwerksbetriebe, Obst- und Gemüsegärten. Die Bauten im Innern der Stadtmauern seien zumeist Amtsgebäude wie Paläste, ein Gericht, die Münzen und Gefängnisse.
Aber der Ort hatte schon bessere Tage gesehen. Die Reisenden kamen an ausgebrannten Gebäuden vorbei, und sogar einige der imposanten Anwesen wirkten
verlassen. Diese Zerstörungen hatten nichts mit den christlichen Heeren zu tun, sondern waren Narben der Kriege zwischen den Muslimen. Córdoba war keine Hauptstadt von irgendetwas mehr, nicht einmal die ihres eigenen Geschicks, denn es war in den Herrschaftsbereich einer taifa eingegliedert worden, die von einer anderen maurischen Stadt namens Sevilla aus regiert wurde.
In unmittelbarer Nähe der Stadt scharten sich Straßenhändler, die Wasserbeutel, Fleisch am Spieß und sogar funkelnde Schmuckstücke feilboten, um die Reisenden. Auch Bettler drängten sich nach vorn, reckten ihnen die Stümpfe abgeschlagener Arme entgegen oder ließen grässliche offene Wunden im Gesicht aufklaffen. Vielleicht alte Soldaten oder Flüchtlinge aus den von den Christen okkupierten Städten im Norden.
Schließlich ragte Córdoba selbst vor ihnen auf, ein von Mauern umschlossener Wald aus Minaretten und Kuppeln unterschiedlicher Größe. Sie gelangten zu einem der sieben Tore in der Mauer. Verkehr strömte hindurch, Fußgänger, Pferde, Maultiere und die alles andere überragenden Kamele.
Soldaten standen in lässiger Haltung am Tor. Robert musterte sie. Sie trugen wattierte Jacken über langen Kettenhemden, runde Helme und Kettenmasken, die sie sich übers Gesicht ziehen konnten. Außerdem hatten sie Schilde aus Holz, lange Speere, Stichschwerter und kompliziert aussehende Bogen. Einige von ihnen waren mit Armbrüsten bewaffnet,
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