Die Zeitbestie
Blick ins Auto, nickte einen Augenblick später Fleming zu und machte sich daran, den Schlagbaum zu öffnen. Wenig später hielt der Wagen neben einem großen alten Haus, das sogar in dieser Zeit ein altes Stück war.
»Man hat mir erzählt, das Haus blicke auf eine interessante Geschichte zurück«, sagte Fleming. »Es ist vierhundert Jahre alt, und angeblich spukt hier eine kopflose Frau. Aber lebt nicht in jedem Haus von solchem Alter ein eigenes Gespenst? Für uns ist es jedoch ideal: nicht zu weit von den Stützpunkten oder dem Bahnhof entfernt, aber doch gerade isoliert genug, damit die Zivilisten nichts hören oder sehen, was ihnen womöglich nicht gefällt.«
Polly wurde aus dem Wagen gescheucht und ins Haus geführt. Sie fand gerade genug Zeit, um eine große, altmodische Küche zu sehen und einen Tisch, der übersät war mit Aschenbechern, leeren Zigarettenschachteln und den Resten von Teekonsum im Endstadium. Dann schaffte man sie eine schmale Treppe hinauf, durch einen zugigen Gang mit hoher Decke und in ein holzvertäfeltes Zimmer. Darin standen nur ein patinierter Schreibtisch und zwei Stühle, und alles wirkte kalt und ungastlich. Aber andererseits hatte Polly nichts anderes erwartet.
»Setzen Sie sich«, befahl Fleming, als er die Tür schloss. Polly bemerkte, dass ihnen die beiden übrigen Männer nicht gefolgt waren. Sie hörte ein ominöses Klackgeräusch, dem sie entnehmen konnte, dass die Tür von außen abgeschlossen wurde. Sie blickte durch die Bleiglasfenster zu den umstehenden Bäumen und einem Flickwerk aus Feldern hinaus. Als sie den Blick senkte, sah sie ein tieferes Dach, etwa zwei Meter unterhalb des Fensters, und fragte sich, ob sie bei passender Gelegenheit nicht auf diesem Wege hinausklettern und den Erdboden erreichen konnte, ohne sich den Hals zu brechen. Als sie sich weisungsgemäß setzte, fielen ihr Flecken auf dem Tisch auf: Einige davon waren offenkundig von Teetassen hinterlassene Ringe, aber sie stellte sich durchaus Fragen nach einigen der anderen.
Fleming deponierte ein Notizbuch und Pollys Hüfttasche auf seiner Seite des Tisches, ging dann an Polly vorbei zum Fenster und zog eine Zigarettenschachtel aus der Tasche. Sie sah, dass er eine recht schicke Marke rauchte – ziemlich lange Zigaretten mit drei goldenen Bändern. Er zündete sie mit einem Streichholz an.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich auch rauche?«, fragte sie.
»Nur zu«, antwortete er lässig.
Nach kurzem Zögern streckte Polly die Hand aus und zog die Hüfttasche näher heran. Als sie sie geöffnet hatte, stellte sie fest, dass Taser, Feuerzeug und einige Posten ihres Make-ups fehlten. Sie holte die Tabakpackung hervor und drehte sich eine Zigarette, wobei sie die ganze Zeit bemerkte, wie scharf der Mann sie im Auge behielt. Als sie die Zigarette zwischen die Lippen gesteckt hatte, zuckte Flemings Hand vor und zündete sie mit Pollys Feuerzeug an. Sobald die Zigarette brannte, warf er das Feuerzeug auf den Tisch und ging um diesen herum zu seinem Platz.
»Interessantes kleines Gerät, das«, fand Fleming. »Ich habe noch nie so etwas gesehen, aber andererseits sind die Deutschen recht clever, was die Herstellung interessanter kleiner Geräte angeht.« Er griff über den Tisch und zog die Hüfttasche zu sich. Er holte Pollys Geldbörse heraus, klappte sie auf und untersuchte den Inhalt aufs Neue. Während er die Chipkarten, die Euronoten und -münzen studierte, verriet seine Miene zunehmend Verwirrung.
Während sie ihn betrachtete, wurde Polly klar, was ihm wahrscheinlich Kummer bereitete: All die Münzen und Banknoten waren datiert.
Einen Augenblick später sagte er: »Glauben Ihre Vorgesetzten in Berlin wirklich, wir würden auf einen solch billigen Trick hereinfallen? Nur weil wir die Bücher von Mr. Wells nicht verbrannt haben, heißt das noch lange nicht, dass wir nicht mehr zwischen Tatsachen und der in diesen Werken enthaltenen Fiktion unterscheiden können.«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Ich habe auch Die Zeitmaschine gelesen.«
»Ich verstehe immer noch nicht …«
›Die Zeitmaschine‹ war ein Roman von einem Typen namens H.G. Wells. Es geht darin um Zeitreisen. Das hat er gemeint.
Fleming wandte sich nun Pollys Uhr zu. Er starrte sie lange an und sagte: »Geben Sie sie mir.«
Polly zog sich die Uhr vom Handgelenk und schob sie zu ihm hinüber.
»Ich sehe, dass ich Sie nicht hereinlegen kann«, sagte sie sarkastisch.
Er betrachtete das LCD-Display, drückte
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