Die Zeitbestie
einige Knöpfe und rief erst den Minibildschirm auf und dann den Nachrichtenservice, der offenkundig offline war. Einen Augenblick später hatte er die Taschenrechnerfunktion aktiviert und konnte mit Hilfe der Knöpfe, die den Cursor steuerten, tatsächlich einige einfache Berechnungen durchführen. Das schien ihn jedenfalls richtig nervös zu machen. Also nahm er das Uhrband in Augenschein und drehte die Uhr um. Dann holte er ein Taschenmesser hervor.
»Wie ich sehe, stecken darin eine Menge Vorbereitungen. Was war dabei die Idee?«
Er klappte die Rückwand der Uhr auf, und als er das Innenleben erblickte, wurde er bleich. »Sehr interessant«, sagte er unsicher.
»Sie werden den Krieg 1945 gewinnen«, sagte Polly.
Ich bin nicht sicher, ob das deine cleverste Idee war!
Polly erläuterte: »Ich stamme aus einer Zeit etwa zweihundert Jahre in der Zukunft, wie Sie an den Daten auf meinem Geld sehen können.«
Fleming starrte sie einfach nur an, ehe er die Rückwand der Uhr wieder zudrückte. Dann machte er sich an eine gründliche Untersuchung des übrigen Inhalts ihrer Hüfttasche: die Tabakpackung, das Zigarettenpapier, die Kondome und sogar ein Päckchen Süßigkeiten. Er holte das Spermizidspray hervor und sprühte es einmal testweise in die Luft. Als Nächstes zog er ihren Taser aus seiner Tasche.
»Was ist das?«
Als er den Ladungsschalter drückte, stieg sofort jaulend die Energie an, und er ließ die Waffe schnell auf den Tisch fallen. Die grüne Bereitschaftslampe sprang an, und einen Augenblick später nahm er das Ding wieder zur Hand.
»Eine Art Kamera?«, überlegte er und betrachtete es gründlich, während er daran herumfummelte. Knackend sprangen zwei Drähte aus der Mündung und trieben ihre Nadeln direkt in seine Stirn. Miniaturblitze züngelten um seinen Kopf, während er mit einem nasalen Stöhnen hochfuhr und dann rücklings vom Stuhl fiel.
Eine Sekunde später war Polly auf der anderen Seite des Tisches. Sie griff nach dem Taser, der automatisch die Drähte wieder aufspulte, als sie ihn packte. Ein Schlüssel knackte im Schloss, während sich der Kondensator des Tasers wieder auflud. Dann kam einer der Gorillas durch die Tür und zog eine Automatikpistole. Polly schoss, und die beiden Drähte erwischten ihn mitten auf der Brust. Er stieß den gleichen Laut aus wie Fleming, als er rücklings an den Türrahmen prallte und auf den Boden rutschte.
»Nein, keine Kamera«, murmelte Polly und ging zur Tür, während der Taser die Drähte aufspulte und sich erneut lud.
Der zweite Gorilla war nicht auf dem Flur und war auch sonst nirgendwo zu sehen. Aber Polly wagte nicht, die Flucht durch das Haus anzutreten, da sich hier wahrscheinlich noch mehr Leute aufhielten. Der Taser hatte nicht mehr genügend Energie für mehr als einen weiteren Angreifer. Danach musste die Lithium-Batterie in der Sonne aufgeladen und so der Mehrfachkondensator gefüttert werden. Mühsam zerrte Polly den komatösen Gorilla ins Zimmer und verschloss die Tür von innen. Rasch sammelte sie ihre Habseligkeiten ein, und da sie nicht geneigt war, die Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen, durchsuchte sie die beiden bewusstlosen Männer. Als sie endlich aus dem Fenster stieg, war sie im Besitz einer Automatikpistole und eines Ersatzmagazins, eines tödlichen Stiletts sowie der Brieftasche und der Zigaretten Flemings. Eine Kletterpartie über ein schräges Dach führte sie zu der Stelle, wo das Auto bequemerweise direkt unterhalb von ihr parkte. Sie ließ sich auf dessen Dach fallen und rutschte zu Boden. Dann war sie schon wieder auf den Beinen und rannte, als sich der erschrockene zweite Gorilla aus dem Wagen wuchtete.
»Stehen bleiben, oder ich schieße!«
Sofort geriet Polly in Panik. In Filmen und Interaktiven brachten es die Leute immer fertig zu rennen, während andere auf sie schossen, und überlebten es auch noch. Das hier jedoch war die Realität – die Realität einer schweren Kugel, die in ihren Rücken klatschte und ihr das Rückgrat brach und auf der anderen Seite wieder herausplatzte. Sie blieb stehen und drehte sich langsam um, die Hände erhoben. In diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, dass sie alles probiert und damit nichts erreicht hatte. Sie gestattete einem inneren Griff, sich zu lockern, und befreite damit die Spannung, die sich von dem fremdartigen Objekt am Arm aus wie ein Netz durch ihren Körper zog.
Während der Gorilla mit angelegtem Revolver und wachsender Verwirrung im Gesicht
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