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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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anscheinend ein Körperteil war.
    »Jetzt die Hände aufs Auto.« Ein Blick zurück zeigte Polly, dass der nach wie vor nicht namentlich Genannte enge Lederhandschuhe anzog. Sie wandte das Gesicht ab, während er eine intime Leibesvisitation vornahm. Mit einem Zucken fragte sie sich, ob schon Chirurgenhandschuhe erfunden worden waren. Schließlich erhielt sie den Überzieher zurück und wurde in den Wagen geschoben, und der Mann, der die Leibesvisitation vorgenommen hatte, quetschte sich neben sie. Garson setzte sich hinters Lenkrad, und Fleming nahm den Beifahrersitz. Niemand sagte mehr etwas, während der Motor ansprang und sie losfuhren, aber Polly bemerkte, dass Flemings Interesse sich jetzt dem Inhalt ihrer Hüfttasche zuwandte.
    »Wir rechnen schon seit einiger Zeit mit der Infiltration unserer Seefestungen«, sagte Fleming, der die Tasche schließlich schloss und auf dem Armaturenbrett deponierte. »Ich muss die Art bewundern, mit der Sie zu Werk gegangen sind. Ich vermute, Sie planten, eine Beziehung mit Brownlow einzugehen?«
    »Ich bin keine Spionin«, erwiderte Polly grimmig.
    Fleming lachte leise. »Letzten Endes erzählen Sie uns doch alles, also warum machen Sie es sich nicht leichter? Sagen Sie uns alles, was wir wissen möchten, und ich kann Ihnen versprechen, dass Sie nach Holloway kommen, statt vor einer fleckigen und von Kugeln durchlöcherten Mauer in Bellhouse zu landen.«
    »Ich bin keine Spionin!«, wiederholte Polly verzweifelt, aber ihr war klar, dass ihre Geschichte von dem in Nordafrika gefallenen Geliebten bald widerlegt sein würde. Da sie Fleming und seinen Leuten keinerlei Ausweise vorlegen konnte – schließlich hatte sie hier keine persönliche Geschichte –, sah sie voraus, dass die Fragen niemals enden würden, denn keine Antwort, die sie geben konnte, würde jemals geglaubt oder bestätigt werden. Ihre einzige Rettung bestand darin, zu fliehen und sich zu verstecken, aber wie? Sie blickte auf den Gegenstand an ihrem Arm und erkannte, dass ihr vielleicht noch ein anderer Weg offen stand.
    Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, da spürte sie eine Spannung von Kräften, die von dem fremdartigen Ding ausgingen und Netze durch ihren Körper zogen. Eine Sekunde lang schien alles um sie herum dunkel zu werden, und sie erhielt einen tiefen Einblick in ein gewaltiges, farbloses Kontinuum, über dem die aktuelle Umgebung nur ein durchsichtiges, bewegliches Wasserfarbenbild zu sein schien. Dann geriet sie unvermittelt in Panik und unterdrückte das alles irgendwie, und die Welt um sie nahm wieder eine normale Struktur an.
    Was ist passiert? Muse 184 kann deine Biorhythmen überwachen, und sie sind gerade völlig außer Rand und Band geraten. Sie sendet jetzt das Warnsignal ›verwundeter Soldat‹.
    »Ich weiß jetzt, wie ich entkommen kann, aber ich habe zu viel Angst, um es zu versuchen. Das Ding möchte mich durch die Zeit zerren, aber ich weiß nicht wohin«, sagte sie lautlos.
    Vielleicht sparst du dir diese Option für den Zeitpunkt auf, wenn sie dir die Elektroden anlegen.
    »Danke für deine tröstlichen Worte.« Polly zuckte zusammen.
    Einschließlich des Autos, in dem sie gerade fuhr, hätte jedes Gerät, das sie jetzt sah, in ihrer eigenen Zeit als echte Antiquität gegolten. Die wenigen Traktoren auf den Feldern waren kleine, graue oder mattrote Fahrzeuge, und sie zogen Pflüge, die kaum größer waren als die früher von Pferden gezogenen. Andererseits war das ein passender Maßstab für die kleinen Felder, auf denen sie eingesetzt wurden. Polly bekam viele geschnittene Hecken zu sehen und zahlreiche Wiesen mit Vieh. Sie fuhren auf Straßen ohne Fahrbahnlinien und nie breiter als zweispurig.
    Gelegentlich kamen sie an khakifarbenen Militärfahrzeugen und Gruppen bewaffneter Soldaten vorbei. Zweimal hielt man sie an, aber mit Hilfe von Flemings Papieren waren sie jeweils schnell wieder in Bewegung. Häufig donnerten alte Propellerflugzeuge über sie hinweg. Die Menschen in den Dörfern waren wie für ein historisches Drama gekleidet. Polly fühlte sich immer verlorener.
    »Hier sind wir: Ramsden Bellhouse«, verkündete Fleming schließlich.
    Das Dorf sah kein bisschen anders aus als die übrigen, durch die sie gefahren waren. Sie bogen auf eine Einfahrt ab, die von einem Schlagbaum mit Gegengewicht versperrt wurde. Ein Wachposten mit Sten-Pistole spazierte von dem Holzklotz herüber, auf dem er gesessen hatte, um dort eine Zigarette zu genießen. Er warf einen forschenden

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